Wenn die Temperaturen steigen und die Tage länger werden, bricht die Zeit der Betriebsausflüge an. In vielen Unternehmen ist es guter Brauch, jährlich einen Betriebsausflug zu organisieren. Man macht gemeinsam einen Tagesausflug in die Natur, besucht kulturelle Stätten oder Einrichtungen und landet abends in einem feinen Restaurant oder beim Heurigen. Manche Unternehmen legen es auch größer an. Da reist die ganze Belegschaft mit Bus oder Flugzeug an ein attraktives Ziel im Ausland, um mitunter mehrere Tage fernab vom betrieblichen Alltag gemeinsam zu verbringen.
Wozu ein Betriebsauflug?
Aus der Sicht der Unternehmen sind Betriebsausflüge zusätzliche Sozialleistungen und ein Dankeschön an die Belegschaft. Man will den Mitarbeiter:innen etwas Außergewöhnliches bieten. Gleichzeitig hofft man auf positive Effekte fürs Betriebsklima und für die Kultur der Zusammenarbeit. Mitarbeiter:innen, die miteinander reisen und feiern, kommen sich menschlich näher und entwickeln ein Wir-Gefühl. Wie bei Weihnachts- und sonstigen Firmenfeiern wird mit Betriebsausflügen der Tatsache Rechnung getragen, dass die Mitarbeiter:innen nicht nur Produktionsfaktoren, sondern vor allem Menschen sind.
Die Mentorin berichtet:
Ich persönlich habe mit Betriebsausflügen nicht viel Erfahrung gesammelt. Im Wissenschaftsbetrieb, wo ich lange Jahre gearbeitet habe, gab es so etwas nicht. Auch im politischen Büro, wohin es mich für kurze Zeit verschlug, war es mit den Betriebsausflügen schwierig, weil das Büro selbst keine angestellten Mitarbeiter:innen hatte, und wir alle bei unterschiedlichen Institutionen angestellt und nur fürs politische Büro abgestellt waren. Ich fuhr daher mit dem Unternehmen, auf dessen Gehaltsliste ich stand, nie auf einen Betriebsausflug mit, weil ich die Kolleg:innen dort nicht kannte. Jene Kolleg:innen, mit denen ich tatsächlich im Alltag arbeitete, waren ja nicht dabei, weil sie formal zu einem anderen Unternehmen gehörten.
Erst in meiner jetzigen Firma habe ich eine ausgeprägte Betriebsausflugskultur kennengelernt. Noch bevor ich anfing dort zu arbeiten, erreichte mich an meinem alten Arbeitsplatz ein Schreiben des Betriebsrates der neuen Firma. Man organisiere einen „Herbstausflug“ ins Vulcano-Land, stand darin, und ich möge doch bitte die Wahl meiner Menüs fürs gemeinsame Abendessen bekannt geben. Amüsiert zeigte ich das Schreiben unter den Kolleg:innen, die ich bald verlassen würde, herum. Seht nur, ich wechsle ins Schlaraffenland, sagte ich mit einem Augenzwinkern.
Tatsächlich wird in unserer Firma auf Geselligkeit viel Wert gelegt. Neben Weihnachten werden jedes Jahr Firmenjubiläen von Mitarbeiter:innen groß gefeiert. Man geht zu diesem Anlass in ein Theater oder zu einem Konzert und danach etwas trinken, und immer gibt es reichlich gutes Essen. Hie und da gibt es Tagesausflüge in die nähere Umgebung, und einmal im Jahr findet ein drei- bis viertägiger Betriebsausflug zu weiter entfernten Zielen statt. Ich bin im Rahmen von Betriebsausflügen an viele interessante Orte in ganz Europa gekommen – unter anderem nach Brüssel, Madrid, Liverpool, Krakau, Triest, Lissabon, Sarajevo, Istanbul, Berlin, Malta, Belgrad und Tirana.
Wie läuft ein Betriebsausflug ab?
Der Ablauf unserer Betriebsausflüge hat eine lange Tradition: zuerst wird gemeinsam mit einer lokalen Reiseführung die Stadt besichtigt, dann gibt es je nach Reiseziel weitere Angebote für kulturelle Highlights oder für kleine Ausflüge in die Umgebung. An einem der Tage findet ein gemeinsames Abendessen statt. Der Rest der Zeit kann individuell gestaltet werden. Dann ziehen Grüppchen von Mitarbeiter:innen durch die Stadt, und je nach Größe und Lage des Reiseziels begegnet man sich dann zufällig oder auch nicht. Beim Frühstück im Hotel hört man für gewöhnlich Geschichtchen und Gerüchte, die den vorangegangenen Abend bzw. die Nacht betreffen. An den morgendlichen Gesichtern kann man für gewöhnlich ablesen, wer besonders heftig gefeiert hat.
Ich habe von Firmenfeiern gehört, die Weiterbildungs- oder Teambuilding-Elemente beinhalten. Und auch von solchen, die unter einem bestimmten Motto standen. Erst kürzlich hat mir jemand erzählt, dass der Betriebsausflug eine „Fête blanche“ werden soll, für die man sich speziell einkleiden soll.
Ein Betriebsauflug ist nicht „privat“
Auch wenn es Mitarbeiter:innen offen steht, ob sie überhaupt am Betriebsausflug teilnehmen und sich vor Ort den gemeinschaftlichen Unternehmungen anschließen oder nicht, sollte man sich, wie bei allen geselligen Firmenanlässen, darüber im Klaren sein, dass Betriebsausflüge keine rein privaten Angelegenheiten sind. Auch wenn es noch so nach Freizeit aussieht, befindet man sich doch im Kreis von Kolleg:innen und Vorgesetzten. Es kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass alles, was während eines Betriebsausfluges passiert, in die inoffizielle „Geschichtsschreibung“ der Firma eingeht und, wenn auch nicht immer in allen Details, auch der Führungsebene zu Ohren kommt. Das betrifft heitere gemeinsame Erlebnisse genauso wie etwaige Alkohol- oder sonstige Exzesse.
Man steht unter Beobachtung
Nehmen Führungskräfte am Betriebsausflug teil, kann man überdies damit rechnen, dass sie ein Auge auf das Verhalten insbesondere von jenen Mitarbeiter:innen haben, die für einen Aufstieg in eine Führungsposition in Frage kommen.
Nicht erst das Benehmen während des Betriebsausflugs wird registriert. Wahrgenommen wird schon im Vorfeld, wer auf den Betriebsausflug mitfährt, wer sich aus welchem Grund entschuldigt, und wer unentschuldigt fernbleibt. Entschuldigungsgründe, die immer akzeptiert werden, sind familiäre Verpflichtungen oder persönliche Einschränkungen wie etwa Flugangst. Unentschuldigtes Fernbleiben ist nichts, was einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin offen vorgeworfen werden wird. Dennoch, wer eine Einladung – und sei es eine von der Unternehmensleitung oder vom Betriebsrat – ignoriert, gibt deutlich zu verstehen, dass er/sie sich nicht als zugehörig empfindet, und wird als Führungskraft kaum in die engere Auswahl kommen.
Am Ausflugsort kann man als Führungskraft die „Subkulturen“ in der Firma beobachten und sehen, wer sich welcher Gruppe anschließt, welches Freizeitprogramm gewählt wird, wer sich besäuft, und wer von den Mitarbeiter:innen sich auch in dem halb-privaten Kontext Betriebsausflug seiner/ihrer Rolle bewusst bleibt. Sehr jungen Mitarbeiter:innen wird es nicht übel genommen wird, wenn sie mal über die Stränge schlagen, während von den Älteren unausgesprochen erwartet wird, dass sie auch im Kontext eines Betriebsausflug Reife zeigen.
Im Rahmen eines unserer Betriebsausflüge wurde einmal die ganze Belegschaft zu einem Frühstück mit Vortrag in einer österreichischen Vertretung eingeladen. Einer unserer Aufsichtsräte war mit von der Partie. Er kannte unsere Mitarbeiter:innen kaum, doch er hatte ein offenes Auge auf sie alle gehabt. Bei der nächsten Besprechung sagte er, dass er unter der gesamten Belegschaft zwei potenzielle Führungskräfte gesehen hatte, und ich wusste sogleich, wen er meinte. Es waren jene zwei, die sich im Gegensatz zu allen anderen, die im Freizeitlook in die Botschaft kamen, einen Blazer übergezogen hatten. Sie hatten, vorausschauend, daran gedacht, sich für den halb-formellen Anlass ein Stück passender Kleidung mitzunehmen.
Gestaltung eines Programms für den Betriebsausflug
Manche Mitarbeiter:innen freuen sich das ganze Jahr auf den Betriebsausflug, während sich andere (die ich persönlich sehr gut verstehen kann) dem Massenevent eher mit reservierten Gefühlen entgegensehen. Plant man ein Programm für den Betriebsausflug, dann sollte man die Bedürfnisse beider Gruppen berücksichtigen. Insbesondere im Interesse von introvertierteren Mitarbeiter:innen oder Führungskräften sollte man Pausen vorsehen. Es muss nicht von Frühstück bis Abendumtrunk ununterbrochen Programm geboten werden.
Sollen Führungskräfte auf den Betriebsausflug mitfahren?
Es hängt von der jeweiligen Firmenkultur ab, ob Führungskräfte mitkommen auf den Betriebsausflug, oder ob dieser, vom Betriebsrat organisiert, ausschließlich der Belegschaft vorbehalten bleiben soll. In meiner Firma ist es Tradition, dass auch Führungskräfte dabei sind. Ich bin auch immer gerne mitgefahren, obwohl ich es immer sehr anstrengend gefunden habe, von früh bis spät von Menschen umgeben zu sein. Doch es haben sich auf Betriebsausflügen Gelegenheiten ergeben, mit Mitarbeiter:innen, die ich sonst kaum zu Gesicht bekomme, auch mal ein paar private Worte zu wechseln und von ihnen einen neuen, guten Eindruck mitzunehmen. Ich habe überdies an fast jeden Betriebsausflug Erinnerungen, die mich innerlich zum Lächeln bringen.
Tipp der Mentorin:
Wichtig im Zusammenhang mit Betriebsausflügen ist, (1) dass man eine Einladung zu einem solchen nicht ignoriert, sondern so behandelt, wie man auch im privaten Umfeld mit einer Einladung umgeht. Man sagt entweder zu oder mit einer Begründung ab. (2) Besonders jene, die Karriere machen wollen, sollten sie vergessen, dass sie auch bei einem lockeren Betriebsausflug stets unter Beobachtung stehen. So gesehen ist auch ein Betriebsausflug eine gute Gelegenheit, sich zu profilieren und für höhere Positionen zu empfehlen.