“Neue Besen kehren gut”, besagt ein altes Sprichwort. In Unternehmen sind neue Besen, meiner Erfahrung nach, eine Standardquelle für Konflikte. Warum ist das so?

Vor kurzem kam ein neuer Mitarbeiter in eine unserer Schlüsselabteilungen. Dort ist eine altgediente Belegschaft am Werk, die ihre Arbeit routiniert verrichtet. Aufgrund der zeitweiligen personellen Unterbesetzung gab es jedoch Bereiche im Service, die ein wenig vernachlässigt worden waren. Die Mitarbeiter:innen haben heftig darauf gedrängt, Verstärkung zu bekommen. Auch mir war, als ich die Abteilung in meine Verantwortung übernahm, der Personalengpass aufgefallen.

Umso mehr freuen wir uns alle über einen neuen Mitarbeiter, der hoch qualifiziert, einsatzfreudig und sozial überaus kompetent zu sein scheint und noch dazu, wie sich bald herausstellt, eine Fähigkeit mitbringt, die sich insbesondere in Verwaltungsabteilungen, deren Arbeitsabläufe sich stets wiederholen, selten findet: Er denkt mit. Er hat, wenn er seine Entscheidungen trifft, nicht nur seinen eigenen kleinen Arbeitsbereich im Blick, sondern auch die Erfordernisse der nach- und vorgelagerten Abteilungen und nicht selten, wie sich zeigt, des gesamten Unternehmens.

Der neue Mitarbeiter: Kollege oder Besserwisser?

Mit Neugier und Interesse macht er sich an die Arbeit und hat sich nicht nur sehr rasch die Kenntnis der Routinetätigkeiten angeeignet, sondern hinterfragt auch zuweilen deren Sinn, deren Funktionalität und deren Qualität. Natürlich tut er sich dabei leichter als die Alteingesessenen, weil er noch den Blick eines Außenstehenden hat, also noch nicht „betriebsblind“ ist. Er erkennt daher auch “Baustellen”, die in den letzten Jahren aufgrund der Personalknappheit nicht oder nur mangelhaft bearbeitet worden sind, sofort und stürzt sich auf deren Bearbeitung. Als Vorgesetzte habe ich meine helle Freude mit ihm.

Nicht so die Kollegen und Kolleginnen der betreffenden Abteilung. Sie blockieren (“wir haben das immer so gemacht”), geben Informationen nur zögerlich weiter (“das fällt ja nicht in seine Kompetenz”) und sind allgemein sichtbar irritiert über diese unwillkommene Störung ihres gewohnten Arbeitsalltags. Und das, obwohl sie immer wieder betont haben, dass die Abteilung unterbesetzt sei, und sie dringend einen zusätzlichen Mitarbeiter bräuchten. Zudem haben sie selbst den Neuen unter einer Reihe von Kandidat:innen mit ausgewählt, waren also mit seiner Person einverstanden gewesen.

Was ist da im Gange?

Niemand in dieser Abteilung ist als Person unwillig oder gar feindselig. Alle wollen, dass die Abteilung erfolgreich ist. Niemand hat persönlich etwas gegen den Neuen. Warum dann das Zögern und die Vorbehalte?

Jede Veränderung verursacht Irritation

Ich versuche, mich in die Lage der Alteingesessenen zu versetzen. Aus ihrer Sicht ist da einer dahergekommen, der nicht nur durch Beobachtungen von Unzulänglichkeiten, sondern auch durch Veränderungsvorschläge die gewohnte Ordnung stört. Zudem macht er das eine oder andere anders – und wird dafür auch noch von der Chefin gelobt. Ohne böse Absicht stellt er damit implizit die bisherige Arbeit seiner Kolleg:innen in Frage, und es wären wohl lauter Heilige, würden sie dagegen nicht offen oder versteckt rebellieren.

Natürlich wäre es mir als Führungskraft lieber, wenn sich die Dinge von selber einspielten und die Mitarbeiter:innen die Verstärkung durch den neuen Kollegen als willkommene Bereicherung betrachten würden.

Da ich jedoch Reibungsverluste vermeiden möchte, nehme ich mir ein bisschen Zeit und begleite den Prozess der Eingliederung des Neuen mit so viel Fingerspitzengefühl wie möglich. Ich lobe die bisherige Arbeit der Abteilung (diskret natürlich, um nicht zu dick aufzutragen), hebe die Stärken der jeweiligen Mitarbeiter:innen hervor und übertrage dem einen oder der anderen von ihnen neue Aufgaben. Ich berufe ein paar Abteilungssitzungen ein um Neuerungen mit allen Mitarbeiter:innen zu besprechen und halte meine Sinne offen für Stimmungen. Ein paar Wochen werde ich über Zeichen der Irritation und Verunsicherung noch verständnisvoll hinwegsehen.

Ich bin zuversichtlich, und nicht zuletzt aus Erfahrung. Spätestens wenn die Mitarbeiter:innen der Abteilung mit dem neuen Kollegen einmal einen gemütlichen Abend bei dem einen oder anderen Gläschen verbringen, wird er in die Runde aufgenommen werden, und dann wird alles seinen normalen Gang gehen.

Und zwar so lange bis dann wieder einmal jemand Neuer kommt…