Eine kleine Szene in der humoristischen österreichischen TV-Serie „Walking on Sunshine“ brachte kürzlich die Thematik auf den Punkt. Die oberste Chefin verordnete einer Abteilungsleiterin ein Coaching, das eine tagelange Beobachtung der Abteilungsleiterin durch die Coachin beinhaltete. Als die Abteilungsleiterin die Nerven verlor und schrie, dass sie die Anwesenheit der Coachin nicht länger ertrage, antwortete diese: „Das ist Teil des Coaching-Konzepts. Sie sollen lernen, dass Sie als Führungskraft unter dauernder Beobachtung stehen.“

Führungskräfte prägen die betrieblichen Umgangsformen

Neben offiziellen Verhaltensregeln, festgehalten zum Beispiel in einem schriftlichen Leitbild, hängt die Unternehmenskultur immer ganz wesentlich von den Persönlichkeiten ab, die im Unternehmen arbeiten. Den stärksten Einfluss üben Führungskräfte aus, denn sie geben den Takt vor. Sie stehen quasi in der Auslage und werden ständig beobachtet. Auftreten, Werthaltungen, die Art, wie jemand Probleme löst, Ausdrucksweise, Benehmen, Frisur und Kleidungsstil, ja, sogar persönliche Gewohnheiten werden von der Belegschaft genau registriert und dienen, wenn es den Beteiligten auch nicht immer so deutlich bewusst ist, stillschweigend als Verhaltenscodex für das ganze Unternehmen.

Ein Chef, der einen sachlich-professionellen Kommunikationsstil pflegt, und dessen Auftreten generell von Höflichkeit und guten Manieren bestimmt ist, wird den Umgangsstil in der Firma auf andere Weise beeinflussen als einer, der mit den Füßen am Tisch an seinem Schreibtisch lümmelt, durch die Zimmer nach seiner Sekretärin brüllt, und im Zorn mit Wörtern, die in einer zivilisierten Umgebung nichts verloren haben, um sich wirft. Eine Chefin, die auch in heiklen Situationen Ruhe und Souveränität ausstrahlt, gibt eher ein positives Vorbild ab als eine andere, die bei jeder Gelegenheit die Nerven hinschmeißt. Kettenrauchende Führungskräfte, die bei jeder Sitzung gedankenlos den Keksteller, der am Tisch steht, leer essen, oder die man bei Firmenfeiern betrunken erlebt, vermitteln eine ganze andere Botschaft an die Belegschaft als Vorgesetzte, die gute Manieren zeigen, die auf ihre Gesundheit achten, und die sich auch in punkto Benehmen im Griff haben.

Vorgesetzte, die „bitte“ und „danke“ sagen, die ihre Mitarbeiter:innen loben und auf gemeinsame Erfolge mit ihnen anstoßen, verbreiten ein völlig anderes Klima als jene Führungskräfte, die sich selbst durchs Leben hetzen, ihre Finger immer auf den wunden Punkten haben, und nie zufrieden sind. Müßig festzuhalten, welche Atmosphäre für das Betriebsklima und die Arbeitsmotivation günstiger ist.

Führungskräfte prägen betriebliche Werthaltungen

Ist der Chef ein Workaholic, wird es Mitarbeiter:innen mitunter schwerfallen, selbst eine gesunde Work-Life-Balance zu halten. Als ich einmal einen meiner Chefs darauf aufmerksam machte, dass ein junger Kollege nie auf Urlaub ging, beunruhigte ihn das keineswegs, da er ja selbst auch keinen Urlaub machte. Umgekehrt kann es durch das Vorbild einer Führungskraft, die ihrem Familienleben den gebührenden Platz einräumt, im ganzen Unternehmen zum Standard werden, pünktlich aus dem Büro zu gehen, nach Feierabend keine Mails mehr zu beantworten, den Urlaub regelmäßig zu konsumieren, temporär in Teilzeit zu arbeiten, oder an Gesundheitsinitiativen teilzunehmen, die die Firma anbietet und unterstützt.

Führungskräfte als Role Models

Was die äußere Erscheinung und die Schnittstelle zum Privatleben betrifft, so stehen insbesondere weibliche Führungskräfte unter genauer – und vielfach sehr kritischer – Beobachtung. Je nachdem, ob man die Chefin schätzt oder nicht, wird man sich an ihr ein nachahmenswertes oder aber abschreckendes Beispiel nehmen. Junge Mitarbeiter:innen, die ihr berufliches Selbst noch suchen, haben viel weniger Vorbilder zur Auswahl als junge Männer, und orientieren sich daher quasi automatisch in der einen oder anderen Weise an der erfolgreichen Chefin. Mitunter schauen sie sich von ihr sogar den Kleidungsstil ab. Erst kürzlich habe ich ein Jubiläumsfest einer Firma erlebt, die von einer sehr tüchtigen Frau geführt wird, die neben vielen fachlichen Qualitäten ein Faible für hohe Absätze und lange, rot lackierte Fingernägel hat. Bei dem Fest fiel mir auf, dass alle Mitarbeiterinnen, egal welchen Alters, auf High Heels in schwindelerregender Höhe daherkamen und ihre roten Krallen zeigten. So augenscheinlich ist der Einfluss von Führungskräften auf die Betriebskultur zwar nicht immer, aber er ist immer vorhanden.

Vorgesetzte sind „Influencer“

Vorgesetzte sind also so etwas wie Influencer, auch wenn sie es nicht darauf anlegen. Ihre Rolle bringt es einfach mit sich. Führungskräfte sind also nicht nur das „Gesicht“ des Unternehmens in der Öffentlichkeit, sondern auch wichtige Gestalter:innen im Innenverhältnis einer Firma, im Guten wie im Schlechten.

Für Führungskräfte ist es daher wichtig, sich unter Kontrolle zu haben und sich ihrer Wirkung in jedem Augenblick bewusst zu sein.

IM NÄCHSTEN BEITRAG GEHT ES UM GESCHÄFTS“FREUND:INNEN“