Auch in Zeiten digitaler Medien beginnt der Kontakt eines Mitarbeiters, einer Mitarbeiterin, mit dem neuen Unternehmen durch ein Bewerbungsschreiben. Die meisten Bewerbungsbögen, die mich erreichen, sind marketinggerecht verfasst, und man erahnt, dass sich der/die Bewerber:in hinsichtlich des richtigen Bewerbens kundig gemacht hat. Leitfaden für Bewerbungsschreiben gibt es in Hülle und Fülle, in Buchform, oder auf den Websites namhafter Organisationen wie etwa der Arbeiterkammern. Man kann sich auch von einem/einer Bewerbungstrainer:in coachen lassen. Das Bewerbungsschreiben vermittelt den berühmten ersten Eindruck, und daher ist es tatsächlich ratsam, sich mit dem richtigen Verfassen eines solchen Schreibens gründlich auseinanderzusetzen.

Mit dem Bewerbungsschreiben beginnt die Konkurrenz gegen alle anderen Bewerber:innen. Ein Bewerbungsschreiben muss nicht nur korrekt und fehlerlos sein. Es sollte irgendwie auch aus der Masse der Schreiben, die ein/e Personalchef:in zu sehen bekommt, hervorstechen.

Was macht ein Bewerbungsschreiben interessant?

Die Mentorin berichtet:

Natürlich lässt sich die Frage, was ein Bewerbungsschreiben für eine/n Personalchef:in besonders ansprechend macht, nicht allgemein beantworten, doch die beste Empfehlung ist ohne Zweifel immer noch die persönliche Empfehlung von Bekannten, Freunden oder einer Geschäftspartnerin. Hat man eine solche Referenz, dann hat man zumindest den Startvorteil, dass die Unterlagen mit Sicherheit genauer geprüft werden.

Leicht haben es – zumindest bei mir – auch diejenigen, deren Bewerbungsschreiben etwas enthält, zu dem ich als Personalverantwortliche einen Bezug herstellen kann, z.B. wenn sie in einer Firma oder bei einem Projekt mitgearbeitet haben, die mir bekannt sind. Aufmerksam werde ich aber auch oft durch eine besonders elegante Formulierung im Anschreiben, oder durch ein ausdrucksvolles Foto, oder durch etwas Persönliches, das unter „Freizeitaktivitäten“ oder unter „Sonstige Interessen“ aufgelistet ist.

Bewerber:innen müssen wie gute Marketing-Fachleute versuchen, die wohlwollende Aufmerksamkeit von Personalchef:innen auf sich zu lenken. Die Kunst dabei ist, einerseits nüchterne Professionalität zu vermitteln und gleichzeitig die eigene Persönlichkeit und den speziellen Mix an Fähigkeiten, über die man verfügt, darzustellen. Die Bewerbung soll sachlich formuliert sein, aber dennoch nicht zu trocken, nicht zu standardisiert daherkommen. Sieht die Bewerbung wie ein Marketing-Katalog aus und scheint in den Unterlagen gar keine persönliche Note durch, besteht insbesondere bei unaufgeforderten Bewerbungen die Gefahr, dass sie sogleich ad acta gelegt werden. Wird hingegen zu viel Individualität vermittelt, kann es leicht unpassend und aufdringlich wirken. Der Grat, auf dem Job-Bewerber:innen wandeln, ist schmal.

Gerade habe ich auf der Plattform XING einen Artikel gefunden, der mehr oder weniger ernst zu nehmende Vorschläge für den originellen Anfang eines Bewerbungsschreibens enthält: https://www.xing.com/news/articles/so-beginnt-man-ein-anschreiben-10-einstiegssatze-die-dich-herausheben-und-die-du-sofort-abschreiben-willst-5562726?kut=a745ff3e-7f1c-4ffa-abff-306df1a3dbea

Was mir als Personalverantwortliche bei Bewerbungsschreiben wichtig ist:

Es versteht sich von selbst, dass formale Standards einzuhalten und alle Job-relevanten Informationen über den/die Bewerber:in darzulegen sind. Wenn mir als möglicher zukünftiger Chefin ein Bewerbungsschreiben vorliegt, soll daraus ein klares Bild entstehen, wer der/die Bewerber:in ist und was er/sie kann.

Das Foto des Bewerbers/der Bewerberin sollte in Aufmachung und Ausdruck Professionalität ausstrahlen (No-gos: siehe weiter unten!)

Wenn irgendwie möglich, sollte man Standardformeln vermeiden und stattdessen eigene Worte wählen, um Interesse an einer Stelle zu bekunden. Business-Floskeln wie „stressresistent“, „teamfähig“, „problemlösungsorientiert“ und dergleichen werden beim Lesen bald langweilig – außer sie werden beispielhaft verwendet, um Qualitäten zu beschreiben, die man in früheren Tätigkeitsbereichen bereits bewiesen hat.

Es sollte aus dem Anschreiben ersichtlich sein, dass der Bewerber/die Bewerberin das Unternehmen, bei dem er/sie sich bewirbt, kennt und zumindest dessen Website studiert hat. Es schadet auch nicht, ein wenig über die Branche Bescheid zu wissen. Im Bewerbungsschreiben Bezug auf das Zielunternehmen zu nehmen und darzulegen, warum man gerade dort arbeiten möchte, wie man sich einbringen könnte, und was man zum Erfolg beitragen will, kommt immer gut an. Auch hier ist es besser, Allerweltsfloskeln zu vermeiden und lieber konkrete Beispiele zu nennen.

Obwohl man meinen möchte, dass es sich längst herumgesprochen hat, wie ein professionelles Bewerbungsschreiben auszusehen hat, sehe ich in meiner täglichen Praxis immer noch zahlreiche Faux pas, die – nicht nur bei mir – mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausscheiden der Bewerbung führen.

No-gos bei Bewerbungsschreiben

Äußerst fragwürdig aus der Sicht von Personalverantwortlichen sind Bewerbungsschreiben, die per E-Mail daherkommen und die Form einer Massenaussendung haben. Kann man aus der Form der Bewerbung darauf schließen, dass zwanzig, dreißig, fünfzig Firmen gleichzeitig, per einheitlichem Text und ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Unternehmen oder einen spezifischen Arbeitsbereich angeschrieben worden sind, dann ist es unwahrscheinlich, dass sich jemand angesprochen fühlt.

Ein Bewerbungsschreiben sollte tunlichst keine kopierten Textpassagen aus früheren Bewerbungen enthalten, die in relevanten Punkten, z.B. Datum, Angabe der letzten Arbeitsstelle oder der angestrebten Position, nicht aktualisiert sind.

Fehler in der Anrede, falsch geschriebene Eigennamen oder Rechtschreibfehler lassen an der Professionalität der Bewerber:innen zweifeln.

No-gos sind Bewerbungen mit unprofessionellen Fotos. Ich hatte kürzlich die Unterlagen einer Bewerberin für eine Sekretariatsstelle auf dem Tisch, die sich auf einem Foto gerade die Lippen schminkt und sich am anderen tief dekolletiert in der Disco amüsiert. Auch das Foto eines Bewerbers im Taucheranzug, der als Servicetechniker bei uns arbeiten wollte, hat als Sofortkiller gewirkt. So etwas geht höchstens, wenn man sich um einen Job in einer kreativen oder freizeitlastigen Branche wie etwa als Tennislehrerin oder als Animateur einem Ferienclub bewirbt. Auch verschwommene Fotos oder solche, die man deutlich erkennbar vor Jahrzehnten aufgenommen hat, passen nicht für eine Bewerbung.

Nachteilig sind größere Lücken im Lebenslauf, sofern sie im Anschreiben unkommentiert bleiben. Hat man monate- oder gar jahrelang pausiert, sollte man den Grund dafür nennen. Kaum ein Personalchef wird es einem übelnehmen, wenn man mal ein Jahr auf Weltreise war, seine kranken Eltern betreut hat, sich in einem künstlerischen Beruf versucht, oder in einem tibetanischen Kloster meditiert hat. Einiges davon könnte sogar als Asset gewertet werden, und meistens ist es vor allem eine Frage der Darstellung. Verbergen ist der falsche Weg. Wer zu seinem Lebenslauf steht, wirkt authentisch.

Auch überdurchschnittlich häufige Job-Wechsel sollten erklärt werden. Gute Gründe für Wechsel sind etwa ein beruflicher Aufstieg, der im ursprünglichen Unternehmen nicht möglich war, oder Umstände, die nicht im Einflussbereich des/der Bewerber:in lagen, wie etwa eine Betriebszusammenlegung mit Rationalisierungsmaßnahmen oder der Konkurs des Arbeitgebers oder ähnliches. Keinesfalls sollte man in einem Bewerbungsschreiben erwähnen, dass man eine Stelle verlassen hat, weil der Chef/die Chefin unerträglich war oder man sich mit ihm/ihr überworfen hat. Gab es wirklich einen solchen Grund (etwa auch im Zusammenhang mit sexuellen Avancen), dann kann das gegebenenfalls beim Bewerbungsgespräch angedeutet werden.

Zeit nehmen für das Verfassen von Bewerbungsunterlagen

Da das Verfassen von Bewerbungsunterlagen eine anspruchsvolle Angelegenheit ist, bei der man stets mehrere Dimensionen – von den Bewerbungsstandards, dem eigenen Portfolio, bis hin zur Perspektive des Zielunternehmens – im Auge behalten muss, sollte man sich, um ein stimmiges Ganzes herzustellen, ausreichend Zeit nehmen. Gute, auf den jeweiligen Job abgestellte Bewerbungsunterlagen stellt man für gewöhnlich nicht in einer halben Stunde her.

Man sollte ein Bewerbungsschreiben auch nicht gleich nach der Fertigstellung wegschicken. Auch wenn man hoch konzentriert gearbeitet und das Schreiben öfters korrigiert und wieder und wieder durchgelesen hat, ist die Gefahr groß, dass man in dieser Situation „betriebsblind“ wird, und etwaige Fehler nicht mehr wahrnehmen kann. Besser ist es, das Schreiben zwei, drei Tage liegen zu lassen und danach noch einmal auf Fehler und auch auf seine Wirkung nach außen zu überprüfen. Eventuell kann man eine Vertrauensperson bitten, die Unterlagen kritisch durchzusehen und zu beurteilen, ob durch das Schreiben der Eindruck entsteht, den man vermitteln möchte. 

Absagen tun weh

Meist kommen auf eine Stelle mehr Bewerber:innen als man in die engere Auswahl nehmen kann. Das führt naturgemäß zu vielen Absagen. Ich persönlich lege Wert darauf, allen Bewerber:innen, die nicht berücksichtigt wurden, eine schriftliche Absage zukommen zu lassen. In den meisten Fällen ist es ein höfliches und respektvoll formuliertes Standardschreiben aus der Personalabteilung, in den seltenen Fällen, in denen wir ein externes Rekrutierungsbüro beauftragen, gibt dieses Bescheid.

In besonderen Fällen, wenn ich es tatsächlich bedaure, einem/einer Bewerber:in keine Stelle anbieten zu können, verfasse ich das Schreiben selbst und verschicke es von meinem Mail-Account als Geschäftsführerin, damit es entsprechend Gewicht erhält. Ich begründe darin die Absage ehrlich und füge ein paar persönliche und wertschätzende Worte hinzu.

Ich weiß, dass viele Unternehmen insbesondere auf unaufgeforderte Bewerbungen nicht mehr reagieren, weil deren Anzahl zu hoch ist und man keine Ressourcen für das Verfassen und Versenden von Antwortschreiben zur Verfügung hat. Allen, die keine Antwort auf ihre Bewerbungsschreiben erhalten, sei an dieser Stelle versichert, dass ein solches Schweigen normalerweise keine Missachtung bedeutet und schon gar nichts Negatives über die Bewerbung aussagt, sondern einfach nur der Überforderungen von Personalstellen geschuldet ist.

Rekrutierung über ein Personalbüro

Viele Unternehmen, insbesondere solche, die keine eigene Personalabteilung eingerichtet haben, verlassen sich in der Personalauswahl auf externe Personalrekrutierungsbüros. In Fällen, in denen auf eine Ausschreibung hundert oder mehr Bewerbungsschreiben zu erwarten sind, bedient sich auch mein Unternehmen solcher Dienste. So werden Bewerbungen von professioneller Hand gesichtet, und dem Unternehmen wird nur noch eine Vorauswahl geeigneter Bewerber:innen präsentiert. Ich erhalte dann die ausgewählten Bewerbungsunterlagen mit einer schriftlichen Einschätzung des/der Personal-Expert:in, die diese/r aufgrund eines Erstgespräches mit dem/der Bewerber:in tätigt. Anmerkungen der Personalist:innen geben dann den persönlichen Eindruck wieder, den ein/e Bewerber:in in Erscheinung und Auftreten hinterlassen hat (sicher/unsicher; freundlich und sympathisch; ernst und distanziert; gepflegte/eher nachlässige Erscheinung, usw.) aber auch Hintergründe zum Karriereverlauf oder der Motivlage der Bewerber:innen. Personalist:innen, die das von ihnen betreute Unternehmen bzw. die betreffende Abteilung, in der der/die Bewerber:in arbeiten wird, gut kennen, bieten meist auch noch eine Einschätzung dahingehend an, ob die betreffende Person ins Team passt.

Es ist davon auszugehen, dass Personalist:innen jene Bewerber:innen, die für Schlüsselpositionen vorgeschlagen werden, gründlich „durchleuchten“, indem sie sich zum Beispiel auch im früheren Umfeld der Betreffenden erkundigen oder deren Social-Media-Account ansehen. Letzteres ist heutzutage wohl Standard. Ich selbst mache es nicht, habe aber umgekehrt einmal erlebt, dass mich ein Bewerber beim Vorstellungsgespräch auf etwas angesprochen hat, das ich selbst in Facebook gepostet habe.

In manchen Unternehmen müssen Bewerber:innen ein Verfahren in einem Assessment Center durchlaufen. Da ich selbst nie Teil eines solchen Prozesses war, und auch wenig über die Abläufe dabei weiß, verweise ich auf die Tipps und Tricks zur Vorbereitung, die in der Literatur oder im Internet zuhauf aufzufinden sind. 

Wie geht es mit der Bewerbung weiter?

Ist ein Bewerbungsschreiben interessant für unser Unternehmen, bespreche ich es mit der Chefin der Personalabteilung und mit der Leitung jener Abteilung, in der die Stelle ausgeschrieben ist. Wird gemeinsam befunden, dass die Bewerberin/der Bewerber in Frage kommt, laden wir ihn/sie zu einem Bewerbungsgespräch ein. Ist die Bewerbung auf gut Glück erfolgt und ist gerade keine Stelle zu besetzen, so teilen wir den Bewerber:innen, die wir für grundsätzlich passend halten, dies mit und verweisen darauf, dass ihre Bewerbung auf Interesse gestoßen ist, und, falls erwünscht, in Evidenz gehalten wird. Wie bereits erwähnt, kommt es immer wieder vor, das auf eine frühere Bewerbung zurückgegriffen wird, sobald eine Stelle frei wird.

Wird ein/e neue/r Mitarbeiter:in aufgenommen, beziehe ich die Mitarbeiter:innen der betroffenen Abteilung in den Aufnahmeprozess mit ein. Mitarbeiter:innen, die bereits im Vorfeld von der Abteilung quasi willkommen geheißen werden, haben es mit der Integration in ihren neuen Arbeitsbereich leichter als andere, die man von oben „hineinsetzt“. Ich habe mit dieser Vorgangsweise gute Erfahrungen gemacht.