Wenn man über die vielen Facetten des Berufslebens reflektiert, kann die Erfahrung mit schlechten Führungskräften, die leider viele von uns machen, nicht ausgespart bleiben.  

Dummerweise gibt es nämlich noch ein paar andere „Führungsstile“ als jene, die im Eintrag vom 19.9.2023 erörtert wurden. Sie werden in keinem Lehrbuch beschrieben, sind aber in der Realität dennoch häufig anzutreffen.

Jede/r von uns hat in der Schule schlechte Lehrer:innen gehabt. Und leider lernen die meisten von uns im Laufe ihres Berufslebens Chef:innen kennen, die – sagen wir es einmal milde – nicht dem Ideal einer reifen, weitblickenden und souveränen Führungskraft entsprechen.

Präpotente Chef:innen im Film

Der eitle, vor allem mit seinem Ego beschäftigte und dabei ziemlich unwissende Chef ist eine beliebte Filmfigur. Wer kennt nicht den genervten Commissario Brunetti, der seine Fälle grundsätzlich hinter dem Rücken und gegen die Anordnungen seines Gockel-Chefs lösen muss? Wo haben sich die Filmautoren den Charakter und das Verhalten des Mr. Burns aus den Simpsons abgeschaut? Oder jenen des Frank Underwood aus House of Cards? Beispiele wie diese gibt es in der Filmgeschichte viele, und in „Der Teufel trägt Prada“ oder „Selbst ist die Braut“ kommt der Typus ‚präpotenter Chef‘ auch mal in Stöckelschuhen daher.

Unqualifizierte Vorgesetzte

Schlechte Führung gibt es in unzähligen Varianten. Da sind zunächst einmal jene Chefs bzw. Chefinnen, die irgendwie in ihre Position gehievt wurden, ohne den Anforderungen ihres Jobs gerecht zu werden. Manche von ihnen lassen selbst rudimentäre Führungsqualitäten vermissen, andere haben keinen Überblick über das Unternehmen oder sind mit den meisten Aufgaben, die an sie herangetragen wurden, fachlich und sozial überfordert. Solche Vorgesetzte sind immer ein Ärgernis. Es gibt in dieser Kategorie jedoch Abstufungen.

Mit denjenigen, die wissen, dass sie für ihren Job nicht ausreichend qualifiziert sind, jedoch persönlich kein Problem damit haben, weil es ihnen genügt es, an ihrer Position zu sitzen, kommt man als Mitarbeiter:in oder Kolleg:in in der Regel noch am besten zurecht. Die einsichtigen unter diesen Chef:innen übernehmen die Rolle von Moderator:innen, lassen die anderen arbeiten, würdigen deren Arbeit, und schmücken sich nur nach außen mit den Erfolgen. Andere, die auch ohne Ehrgeiz sind (man findet sie nicht selten in der Nachfolgegeneration in Familienbetrieben), haben jemanden bzw. eine Gruppe von Mitarbeiter:innen um sich, die aus der zweiten Reihe die Führungsaufgaben übernehmen. Solche Konstellationen haben manchmal etwas Infantiles an sich – wenn sich der Chef zum Beispiel von einem Mitarbeiter oder der Sekretärin dirigieren lässt – aber sie funktionieren meist ganz gut.

Dann gibt es jene unfähigen Chefs, die ebenfalls ihren Mitarbeiter:innen viele Führungsaufgaben überlassen, ohne sich jedoch die eigene Überforderung einzugestehen, und die erwarten, dass man ihnen dennoch als Chefs huldigt. Auch dieser Typus kommt oft in Filmen vor, meistens als Charakter eines Kindkönigs, der von seinen Ministern dirigiert wird, die ihm dennoch die äußeren Zeichen der Ehrerbietung erweisen, die einem König zukommen. Mit solchen Chefs kommen Mitarbeiter:innen gut zurecht, die sich auf Manipulation und Schauspiel verstehen, oder die das Ganze mit Augenzwinkern nehmen können.

Richtig schlimm im Umfeld unqualifizierter Chefs wird es, wenn diese versuchen, ihre mangelnden Fähigkeiten und ihre Unsicherheit durch autoritäres Verhalten und/oder durch niederträchtige Machttechniken zu kompensieren. Neben unsinnigen Anordnungen, denen sich die Mitarbeiter:innen beugen müssen, haben letztere oft auch damit zu rechnen, für Fehler, die der Chef/die Chefin verursacht hat, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dies führt oft zu einem Klima permanenter Unsicherheit und psychischen Drucks.

Das Fazit: Führungspersonen, die mit ihrer Aufgabe überfordert sind, stellen in jedem Unternehmen ein Problem dar. Die Verantwortung für die Situation tragen nicht nur diese Chef:innen selbst, sondern auch jene, die sie in ihre Position gebracht haben.

Chef:innen, die lieber Fachkräfte wären

Suboptimal als Vorgesetzte können auch Menschen sein, die ausgezeichnete Fachkräfte sind, zum Beispiel, wenn sie ihre Expertise nicht loslassen können und auch in ihrer Führungsposition mit jedem/jeder Mitarbeiter:in in Konkurrenz gehen, statt die anderen in Ruhe arbeiten zu lassen und sich auf die Führungsfunktion zu konzentrieren. Sie kapieren oft lange nicht, dass sie nun Führungsaufgaben zu erfüllen haben und arbeiten damit an ihrer Rolle als Führungskraft vorbei.

Eine Untergruppe der Experten-Chef:innen sind jene, die gar nicht führen wollen. Solche „Chefs wider Willen“ sind mir insbesondere an Forschungseinrichtungen begegnet, wo ihnen turnusmäßig eine Leitungsfunktion zufiel, sie aber nur danach trachteten, diese möglichst bald wieder los zu werden um sich wieder ihrer „richtigen“ Arbeit widmen zu können. Unter ihnen herrscht oft ein bisschen Chaos, aber ihnen ist immerhin zugute zu halten, dass sie keinen Anspruch erheben, gute Führungskräfte zu sein, und dafür den Mitarbeiter:innen meist viel Freiheit lassen.

Eigene Unzulänglichkeiten nicht erkennen

Nicht selten habe ich schlechte Führungskräfte gesehen, die der Meinung waren, sie machten ihre Sache sehr gut. Unter ihnen waren Chefs und Chefinnen, die nicht kommunizieren konnten, und andere, die nur an sich selbst interessiert waren, und denen jegliches Gespür für ein soziales Gefüge fehlte. Sie informieren ihre Mitarbeiter:innen nicht über wichtige Geschehnisse und Entwicklungen im Unternehmen, und treffen keine Entscheidungen. Sie verstehen strukturelle Konflikte nicht und nehmen sie persönlich, oder ignorieren sie so lange, bis sie riesige Dimensionen annehmen und viel Schaden anrichten. Die Mitarbeiter:innen solcher Chefs/Chefinnen sind einerseits auf sich alleine gestellt, weil von der Führungsebene keine Unterstützung kommt. Gleichzeitig sind ihnen die Hände gebunden, weil sie die betriebliche Hierarchie dennoch beachten und ihre Chefs/Chefinnen nicht übergehen dürfen. Solche Situationen führen auf Seiten der Mitarbeiter:innen oft zu Dauerstress.  

Charismatische Persönlichkeiten als Vorgesetzte

Schwierige Führungskräfte sind auch manche charismatische, von ihren Ideen beseelte und getriebene Menschen, die man häufig in künstlerischen oder wissenschaftlichen Branchen findet. Sie befinden sich auf einer Art ständiger Mission, beuten sich selbst gnadenlos aus und erwarten von ihren Mitarbeiter:innen und allen anderen, die in ihrer Nähe sind, dass sie dasselbe tun.

Machttechniker:innen als Führungskräfte

Schlechte Führungskräfte sind meist auch sogenannte Machttechniker:innen, also Menschen, die sich nicht für das Geschäft interessieren, und denen es einzig und allein darum geht, mit Hilfe gezielt eingesetzter Machtstrategien „nach oben“ zu gelangen, egal in welcher Branche und in welchem Unternehmen. Für sie sind sowohl andere Menschen als auch Unternehmen nichts weiter als Mittel zum Zweck, und das bekommt auch die Belegschaft bei allen möglichen Gelegenheiten zu spüren. Der Vorteil bei solchen Führungskräften ist, dass sie, wenn man sie durchschaut hat, berechenbar sind. Man weiß, was man als Mitarbeiter:in von ihnen an Unterstützung zu erwarten hat: nur das, was ihnen, den machtbewussten Führungskräften, selbst nützt.

Unsichere Vorgesetzte

Mühsam sind Chef:innen, die hinter dem äußeren Schein in ihrer Persönlichkeit ziemlich unsicher sind. Sie geraten rasch in Panik und lassen etwa bei kleinen Konflikten mit der Kundschaft oder mit Mitarbeiter:innen sofort schwerste Geschütze auffahren, wo in Wirklichkeit ein Gespräch unter vier Augen die Angelegenheit ohne Aufheben aus der Welt hätte schaffen können. Solche Vorgesetzten agieren auf einem Pulverfass, das jederzeit hochgehen und die Umgebung mit verwüsten kann.

Vorgesetzte mit Persönlichkeitsproblemen

Und dann gibt es die vielen, für Mitarbeiter:innen auch ziemlich unangenehmen, Chef:innen, die „auffällige“ Verhaltensweisen aller Art aufweisen:

Ich habe von einer Chefin gehört, die am Wochenende in die Firma fuhr um die Schreibtischladen ihrer Mitarbeiter:innen zu kontrollieren, und von einem Chef, der Tobsuchtsanfälle bekam, wenn ein Mitarbeiter, den er auf der Stelle sprechen wollte, gerade auf der Toilette war, und von einem anderen Chef, der es nicht ertrug, dass ein/e Mitarbeiter:in von einem Aufsichtsorgan gelobt wurde, und von einem anderen, der Mitarbeiter:innen, wenn er ihnen zufällig am Gang begegnete, en passant mitteilte, dass sie auf der Kündigungsliste stünden. Ich weiß von einer Chefin, die alle Mitarbeiterinnen, die hübscher und jünger sind als sie, in weit entfernte Stockwerke versetzen lässt, und von einem Chef, der seiner besten Mitarbeiterin die Erfolgsprämie strich, weil sie ihm als Konkurrentin zu „gefährlich“ wurde. Ich kannte Chefs, die ihre kindlichen Ängste in die Gegenwart projizierten und sich und ihre Umgebung systematisch in Stresssituationen und Panik hineinmanövrierten, nur um sich selbst zu beweisen, dass sie es trotz der widrigsten Umstände (die sie in neurotischer Manier selbst herbeiführten) wieder einmal geschafft haben. Und so weiter, und so fort – mit derlei Personenbeschreibungen könnte man Bände füllen.

Zwangsstörungen, Paranoia, Narzissmus – in Führungsetagen weit verbreitet.

Angeblich gibt es unter Führungskräften sechsmal so viele Soziopathen wie unter der Normalbevölkerung. Der Neurologe (er heißt Univ.Prof. Dr. ,Wolfgang Lalouschek), der dies herausgefunden hat, erklärt es damit, dass bei diesen eigentlich psychisch kranken Menschen das Reptiliengehirn, das nur darauf aus ist, zu fressen, sich zu vermehren, und zu obsiegen, die kulturelle Sozialisation des menschlichen Gehirns überlagert, was zur Folge hat, dass Intelligenz ohne Empathie genutzt wird, und zwar ausschließlich für die Durchsetzung eigener Interessen. Da diejenigen, die ihre Interessen ohne Skrupel durchsetzen, in unserem derzeitigen Wirtschaftssystem zweifellos die besten Chancen haben, ist es wenig verwunderlich, dass sich solche Typen in den Chefetagen vermehrt wiederfinden.

Toxische Chef:innen schaden dem Unternehmen

Toxische Chefs/Chefinnen schaden jedem Unternehmen. Unter der Herrschaft eines Despoten, einer Cholerikerin, eines selbstherrlichen Kindskönigs, einer von Kontrollsucht und Zwängen getriebenen Vorgesetzten oder eines skrupellosen Machtmenschen, der über Leichen geht, leidet die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter:innen. Eine Atmosphäre der Unsicherheit und der Aggression schafft keinen Raum für Verbesserungen und neue Ideen. In einem von Angst geprägtem Klima müssen Mitarbeiter:innen (und auch Kolleg:innen toxischer Führungskräfte) Tag für Tag viel Energie darauf verwenden, die eigene Integrität so gut wie möglich zu schützen. Wer nicht dauernd Gefahr laufen will, angeschrien und niedergemacht oder durch unberechenbares Verhalten verunsichert zu werden, wird bald nur noch darauf bedacht sein, sich still unauffällig zu verhalten und „unsichtbar“ zu bleiben.

Mitarbeiter:innen kündigen den Vorgesetzten, nicht den Jobs

Menschen kündigen nicht ihre Jobs, sie kündigen vielmehr ihren Chef:innen, so lautet die – teilweise durch Umfragen bestätigte – Vermutung internationaler Business-Expert:innen. 75% aller von Mitarbeiter:innen ausgehenden Kündigungen gehen angeblich auf das Konto eines/einer toxischen Vorgesetzten, heißt es, und von manchen wird selbst diese Zahl als noch zu gering beurteilt, denn nicht immer, wenn man wegen eines Bosses kündigt, sagt man das auch ehrlich. So mancher Mitarbeiter schiebt beim Kündigungsgespräch andere Gründe vor – besonders dann, wenn vorhersehbar ist, dass man einander in derselben Branche wieder begegnen wird.

Ich habe selbst Situationen beobachtet, die diese These durchaus bestärken. Es sind dann natürlich immer die qualifizierten und die jüngeren Mitarbeiter:innen, die ein Unternehmen mit einer toxischen Führung am ehesten verlassen, weil sie leichter eine neue Stelle finden als ältere Unternehmensangehörige und solche, die aus anderen Gründen auf den Job angewiesen sind. Letztere müssen sich mit den vergifteten Verhältnissen arrangieren. Eine Folge davon ist, dass es unter der Belegschaft zu einer negativen Auslese kommt, und dass im Unternehmen keine neue, gesunde Führungsgeneration heranwachsen wird.

Toxische Führungskräfte neigen zu negativer Personalauslese

Dazu kommt, dass Führungskräfte mit bestimmten Persönlichkeitsstörungen dazu neigen, Mitarbeiter:innen um sich zu scharen, die ähnliche psychische Dispositionen wie sie selber aufweisen. Auch dies ist selten im Sinne der Abteilung oder des gesamten Unternehmens.

Besetzung von Führungspositionen

In einem idealen Universum würden nur reife, innerlich gefestigte Persönlichkeiten an Führungspositionen kommen. Aber auch in unserer imperfekten Welt wäre es wünschenswert, die Persönlichkeit der Kandidat:innen zu einem Kriterium bei der Besetzung von Führungspositionen zu machen.

Um Möglichkeiten des Umgangs von Mitarbeiter:innen mit toxischen Vorgesetzten geht es im nächsten Eintrag.