In nahezu allen Unternehmen und Institutionen findet ein Jour Fixe statt – eine wöchentliche oder monatliche Zusammenkunft eines bestimmten Kreises von Funktionsträgern zum Zwecke der laufenden Abstimmung der Geschäftstätigkeiten.
In meinem neuen Unternehmen gibt es mehrere Jours Fixes. Einer dient den Besprechungen im Vorstand, andere werden innerhalb von Abteilungen abgehalten. Der wichtigste Jour Fixe ist funktions- und hierarchieübergreifend angelegt. An ihm nehmen die Vorstandsmitglieder und Abteilungsleiter:innen teil. Dieser Jour Fixe erfreut sich, wie viele Sitzungen, unter den Teilnehmer:innen nur mäßiger Beliebtheit. Er halte von der „eigentlichen“ Arbeit ab, und die relevanten Informationen bekäme man ohnehin woanders leichter, so oder so ähnlich höre ich es von den Mitarbeiter:innen, und es ist mir nicht neu, denn ich habe ähnliches auch schon an allen meinen früheren Arbeitsorten gehört.
Trotzdem wird der Jour Fixe regelmäßig abgehalten. Regelmäßig, so alle paar Monate einmal, poppt eine Diskussion um seinen Sinn und seine Form von neuem wieder auf.
Gesucht: ein ideales Format für einen Jour Fixe
Was die personelle Zusammensetzung betrifft, ist die Sache eigentlich klar. Am Jour Fixe nehmen die Abteilungsleiter:innen teil, um sich mit der Geschäftsführung über den Verlauf von Projekten sowie über allerlei Entwicklungen, die das Unternehmen betreffen, auszutauschen.
Aus Gründen, die keiner mehr so genau kennt, nimmt an unserem Jour Fixe jedoch aus der einen Abteilung auch ein Stellvertreter teil, und aus einer anderen Abteilung jemand, der gerade ein Sonderprojekt bearbeitet, und aus einer dritten und vierten Leute, die sich die Sitzungsteilnahme quasi als Gewohnheitsrecht – im wahrsten Sinne des Wortes – ersessen haben.
Als meine Vorstandskollegen und ich beschließen, das Gremium zu reduzieren und einige Teilnehmer:innen auszuladen, müssen wir rasch erkennen, dass wir damit in der Firma Unruhe stiften, denn auch jene, die sich stets über die Pflicht zur Teilnahme am Jour Fixe beschwert haben, empfinden die Zugehörigkeit zu diesem Gremium offensichtlich als Privileg, und fühlen sich nun degradiert. Das wollen wir nicht, und so opfern wir die klare Struktur, die wir angestrebt hatten, dem Gewohnheitsrecht und lassen rasch wieder alle teilnehmen. (Dies ist ein kleines Beispiel für das Zustandekommen und Beibehalten von logisch nicht begründbaren Zuständen, wie sie einem wohl in jeder Firma auffallen, wenn man neu hinzukommt, während die „Alteingesessenen“ keinen Gedanken mehr daran verschwenden.)
Nicht nur der Teilnehmerkreis des Jour Fixe steht immer wieder zur Disposition, auch seine Frequenz, der Ablauf, die Art und Ausführlichkeit der Protokolle, und nicht zuletzt auch immer wieder seine grundsätzliche Funktion.
Aus meiner bisherigen Berufserfahrung schließe ich, dass wir auch hier bis in alle Ewigkeit darüber diskutieren werden, wie der Jour Fixe aussehen soll, denn in allen anderen Institutionen, in denen ich gearbeitet habe, war es genauso. Das Problem liegt also offenbar in der Natur der Sache – und das sei ein, wenn auch nur schwacher, Trost für alle, die meinen, nur sie allein scheitern an der Aufgabe, ein ideales Format für den Jour Fixe zu finden. Ein Jour Fixe ist zwar fix, muss aber wohl auch flexibel sein und sich immer wieder neuen Gegebenheiten anpassen. Irgendwie die Quadratur des Kreises.
Soziale Dynamik im Jour Fixe
Einen spezifischen problematischen Aspekt gibt es allerdings in jedem Jour Fixe. Weil wir in dieser Sitzung sozusagen „unter uns“ sind, kommen die firmeninternen Machtdynamiken besonders zum Tragen, und das ist nicht immer erfreulich. So habe ich schon einige Jours Fixes erlebt, in denen sich insbesondere hierarchisch übergeordnete Personen in Dominanzgehabe und gleichzeitig in schlechtem Benehmen übten und dadurch die Nerven aller anderen Teilnehmer:innen aufs Äußerste strapazierten. Ausufernde Monologe, die Inanspruchnahme eines Monopols zur Themensetzung („das gehört nicht hierher“), die abfällige Bewertung von Wortmeldungen anderer TeilnehmerInnen („Das ist doch Unsinn“), willkürliches Worterteilen und -entziehen, Unterbrechen, das Tempo der Sitzung nach dem eigenen Terminplan richten („ICH habe jetzt keine Zeit mehr“), oder gar das Maßregeln oder Abwerten von Mitarbeiter:innen vor versammelter Runde – all das kommt vor und lässt den Jour Fixe für viele zur Tortur werden. Solche Sitzungen hinterlassen frustrierte Mitarbeiter:innen, die in Zukunft vielleicht zweimal überlegen, ob sie den Mund aufmachen, oder den Jour Fixe nur noch über sich ergehen lassen, ohne sich zu beteiligen.
Externe Moderation?
Als wir im Vorstandskreis wieder einmal über den Jour Fixe diskutieren, schlage ich vor, auch diese Sitzung in Zukunft von einem Externen moderieren zu lassen.
Meine Kollegen wollen es sich durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht wird früher oder später an einem Rädchen gedreht werden, doch ich habe ganz stark die Vermutung, dass sich am Ende nichts ändern wird. Wahrscheinlich wird der Jour Fixe bis in alle Ewigkeit eine offene Baustelle bleiben – und vielleicht ist es einfach das Beste, den Diskussionen um das Format und der sozialen Dynamik, die damit verbunden ist, eine gute Seite abzugewinnen.