Es sind nicht immer die Tüchtigsten, die sich am besten um ihr Gehalt kümmern.
Eines Tages treffe ich in einem Büro, durch das ich zufällig gehe, nur eine Mitarbeiterin an. Es ist Hochsommer, alle anderen sind auf Urlaub oder machen bereits Feierabend. Ich mache ein wenig Konversation, frage sie, wie es ihr geht. Sie antwortet freundlich – und ergreift die Gelegenheit beim Schopf:
Ach übrigens, ich wollte eh schon wegen einer Gehaltserhöhung anfragen, stößt sie rasch hervor.
Ein anderer Mitarbeiter fragt wenigstens um einen Termin bei mir an bevor er mit seinem Anliegen herausplatzt: Ich weiß ja nicht, wie man das richtig macht, daher sag‘ ich einfach wie es ist: Ich möchte eine Gehaltserhöhung haben.
Der Dritte, der wegen einer „Gehaltsanpassung“ bei mir vorspricht, erläutert mir, dass er in seiner neuen Lebenssituation mehr Geld braucht. Er habe zwei kleine Kinder, seine Frau arbeite nur halbtags. Und das Leben werde immer teurer, das wisse ich sicher selber auch, da müsse ich Verständnis haben.
Der Vierte berichtet mir gar, dass er mit seinem Universitätsstudium der Geschichte, das er in seiner Freizeit betreibt, ziemlich erfolgreich sei, und deshalb die Erwartung habe, dass die Firma dies in Form einer Gehaltsaufbesserung würdige.
Eine Fünfte hat durch Zufall erfahren, wie viel ihre Kollegin verdient und nimmt dies zum Anlass, eine Erhöhung ihres Gehalts zu verlangen. Sie tut zusätzlich ihre Empörung über die Tatsache kund, dass besagte Kollegin so viel mehr bekommt als sie und lässt das Argument, dass jene ja schon zwanzig Jahre lang in der Firma arbeitet, während sie selbst er drei Jahre da ist, nicht gelten. Es ist ungerecht, betont sie.
Ich frage jede/n der Fünf, die mehr Gehalt haben wollen: Was haben Sie Besonderes für die Firma geleistet? Wodurch rechtfertigt sich eine Gehaltserhöhung?
Keine/r von ihnen kann mir diese Fragen ad hoc beantworten. Mir kommt es ein bisschen so vor wie die Verhandlungstaktik so manche Verkäufer:innen bei der TV-Sendung „Bares für Rares“: sie bieten den Händlern ihre Stücke an und statt mit deren Wert zu argumentieren, sagen sie, dass sie das Geld brauchen, um mit den Enkerln auf Urlaub zu fahren.
Damit sind wir schon bei einem Kernthema im Zusammenhang mit dem Gehalt.
Es geht um Leistung für das Unternehmen
Die Tatsache, dass jemand privat mehr Geld braucht, ist für ein Unternehmen ebenso wenig ein Grund, eine Gehaltserhöhung zu gewähren, wie es neidvolle Gefühle sind, die eine Kollegin gegenüber einer anderen hegt. Die Ansage des Mitarbeiters, der geradeheraus und ohne jegliche Argumentation auf den Punkt kommt, mag zwar entwaffnend ehrlich und charmant sein, nimmt mir als Vorgesetzter jedoch die Aufgabe nicht ab, diesen Mitarbeiter und seine Leistungen und seine Stellung im Gehaltsschema der Firma zu beurteilen. Eine Vorgesetzte quasi en passant um eine Gehaltserhöhung zu fragen, zeugt nicht nur von schlechtem Stil, sondern auch von taktischer Unklugheit. Und ein Hobby-Studium, das mit den Aufgaben des Unternehmens rein gar nichts zu tun hat, ist wohl eines der schlechtesten Argumente, die ich je im Zusammenhang mit der Forderung um mehr Geld gehört habe.
Wie also stellt man es am besten an? Welche Argumente überzeugen Vorgesetzte, wenn es um eine gewünschte Gehaltserhöhung geht? Wann ist der Zeitpunkt für eine Forderung nach einer Gehaltserhöhung günstig?
Gehaltsverhandlungen sind ein Tauschgeschäft
Im Grunde ist eine Gehaltsverhandlung nichts weiter als ein Tauschgeschäft, bei dem der Preis für ein Gut ausgehandelt wird, das der eine Partner anbietet, und der andere haben will. Da jedoch in diesem Fall kein Urlaubssouvenir, kein Rasenmäher und auch kein Auto Gegenstand der Verhandlung ist, sondern eine Arbeitsleistung, die noch dazu von dem Menschen, der sie erbringt, nicht zu trennen ist, bekommt die Angelegenheit einen besonderen Charakter.
Guten Vorgesetzten sollte es darum gehen, mittels Gehaltserhöhungen Leistungsanreize zu setzen und innerhalb der Belegschaft für Gerechtigkeit hinsichtlich der Entlohnung zu sorgen.
Gehaltsforderungen sachlich begründen!
Am Gehaltsverhandlungstisch sollte zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber herrschen, dass es um Leistung geht, und zwar um Leistung für das Unternehmen. Ausschließlich mit dem Faktor Leistung sollten Mitarbeiter:innen argumentieren, wenn sie sich in Gehaltsverhandlungen begeben – und zwar mit einer möglichst konkreten Bilanz, wie etwa:
- Welche Geschäfte oder Projekte habe ich erfolgreich angebahnt/ abgeschlossen?
- Welche außerordentlichen Aufgaben habe ich in letzter Zeit übernommen?
- Welche herausfordernden Projekte bearbeite ich gerade, und welche der neuen Aufgaben rechtfertigen die Einstufung in eine höhere Dienstklasse?
- Welche sonstigen Erfolge habe ich erzielt?
Ratsam ist es, die Argumente strukturiert vorzubringen und die Gehaltsforderung zu konkretisieren, etwa anhand von im Unternehmen gebräuchlichen Gehaltstafeln oder Einstufungstabellen. Man bekommt solche Unterlagen beim Betriebsrat und nimmt sie am besten zum Gehaltsgespräch mit.
Will man das Gehalt (neu) verhandeln, sollte man sich Gedanken über den richtigen Zeitpunkt und über die eigene Machtposition im Unternehmen machen. Ein günstiger Zeitpunkt ist zum Beispiel der erfolgreiche Abschluss eines Projekts oder die Übernahme einer neuen Position oder neuer Aufgaben. Verfügt man über eine wertvolle und rare Qualifikation, oder hat man gar schon ein Alternativangebot in der Tasche, kann man höher „pokern“, weil die Erfolgschancen wahrscheinlich nicht schlecht stehen. Anders ist es, wenn man etwa bereits kurz vor der Pensionierung steht, kaum Alternativen mehr hat, und tatsächlich auf das Wohlwollen der Vorgesetzten angewiesen ist.
Gefühle im Zusammenhang mit Gehaltsforderungen
Das Stellen von Gehaltsforderungen ist immer eine schwierige Angelegenheit, gleichgültig, ob am Anfang eines Arbeitsverhältnisses oder mittendrin. Immerhin geht es darum, dass man die eigene Leistung, die eigenen Fähigkeiten zu Markte tragen muss, und es vor allem das Gegenüber ist, das unseren „Marktwert“ beurteilt.
Leicht fühlt man sich in einer solchen Situation zurückversetzt in die Kindheit, als man vom Urteil des allmächtigen Lehrers (oder für manche noch schlimmer: der Lehrerin) abhängig war. Oder in die Jugend, als die Eltern je nach Laune über die Höhe des Taschengeldes entschieden. Genau wie damals kann man sich wohl bestmöglich ins Zeug legen, dennoch bleibt die Entscheidung bei der Autoritätsperson. Dies mag nun ein wenig weithergeholt klingen, doch ich bin überzeugt, dass solche Gefühle bei Gehaltsverhandlungen oft mitschwingen.
„Nur“ enttäuscht oder wirklich diskriminiert?
Man sollte darauf vorbereitet sein, dass die Gehaltsforderung nicht bzw. nicht in vollem Umfang erfüllt wird. Dann muss man kompromissbereit sein und mit den Gefühlen klarkommen, die dann auftauchen. Vielleicht empfindet man Scham, weil man nach dem Verlauf des Gespräches selber zur Ansicht gelangt, eine unverschämte Forderung gestellt zu haben, oder weil es einem die/der Vorgesetzte so gesagt hat. Vielleicht schürt die Ablehnung des Vorgesetzten Selbstzweifel hinsichtlich der eigenen Leistung und des eigenen Werts. Vielleicht fühlt man sich nicht ausreichend geschätzt oder gar ungerecht behandelt. Solche Gefühle sollte man sich genau anschauen, sich ihnen aber dann nicht allzu lange hingeben, denn sie resultieren meist nur aus der Kränkung.
Wird man tatsächlich unfair behandelt oder diskriminiert, gibt es arbeitsrechtliche Mittel, über die man sich bei den Interessenvertretungen erkundigen kann.
Cooles Pokern
Glücklich jene, die es in Verhandlungen über das Gehalt verstehen, persönliche Gefühle auszuschalten, den Deal als Deal zu betrachten, die Sache gewissermaßen „sportlich“ zu sehen, und nicht gekränkt zu sein, wenn er halt dieses eine Mal nicht aufgeht. Ein solcher Zugang empfiehlt sich übrigens auch für Vorgesetzte. Ich habe schon Chefs toben gesehen, weil sie die Gehaltsforderung eines Mitarbeiters als Anmaßung und als persönlichen Affront betrachtet haben. Dies ist unangebracht, denn in unserem Wirtschaftssystem hat jede/r Marktteilnehmer:in das Recht zu versuchen, so viel wie möglich für sich herauszuschlagen. Eine Gehaltsforderung mag zwar nicht zu jedem Zeitpunkt taktisch klug sein, aber legitim ist sie allemal.
Gehaltserhöhung als personalstrategisches Instrument
Für Vorgesetzte ist die Gehaltserhöhung ein wichtiges personalstrategisches Instrument, das Belohnungs-, Anreiz-, aber auch Machtaspekte in sich birgt. Um diesen Faktoren Rechnung zu tragen und gleichzeitig das (leistungsbetonte) Gehaltsgefüge im Betrieb im Lot zu halten, sollte man sich als Führungskraft seiner eigenen Entscheidungsgrundlagen stets bewusst sein, und gerade auf diesem Gebiet keine spontanen Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“ treffen. Nicht Sympathie oder Mitgefühl sollten Entscheidungskriterien darstellen, sondern ausschließlich die derzeit erbrachte oder zukünftig erwartete Leistung der Mitarbeiter:innen.
IM NÄCHSTEN BEITRAG wird es um Führungsstile in Theorie und Praxis gehen.