Es ist Advent, die Zeit der betrieblichen Weihnachtsfeiern. In den meisten Unternehmen wird Weihnachten irgendwie begangen. Unternehmensleitungen, die was auf sich halten, wollen den Mitarbeiter:innen etwas bieten. Und so sind im Dezember die feinen Lokale der Stadt ausgebucht. Manche Mitarbeiter:innen freuen sich auf die Weihnachtsfeiern und erzählen noch das halbe nächste Jahr davon. Andere stöhnen über den zusätzlichen Termin im gedrängten Vorweihnachtskalender.
Was ist eine betriebliche Weihnachtsfeier überhaupt? Ist sie eine gesellige Veranstaltung, bei der man „privat“ sein darf/soll? Muss an Firmenfeiern teilnehmen? Gibt es Verhaltensregeln, die zu beachten sind?
Scheinbar obliegt es der Einschätzung jedes/jeder Einzelnen, ob man an einer betrieblichen Weihnachtsfeier – oder generell bei Firmenfesten – teilnimmt, und ob dabei der geschäftliche oder der private Aspekt überwiegt. Ganz so ist es aber nicht. Weihnachtsfeiern sind, wenn sie vom Unternehmen ausgerichtet werden, eine offizielle Angelegenheit mit zahlreichen ungeschriebenen Gesetzen. Und gehören Firmenfeste zur Unternehmenstradition, darf man sie eigentlich nicht „schwänzen“.
Was also gilt es rund um eine betriebliche Weihnachtsfeier alles zu beachten?
Nun, das hängt einmal davon ab, welche Rolle man bei der Weihnachtsfeier spielt. Ist man der Chef/die Chefin, bestimmt man den Termin und das Setting. Man kann beispielsweise entscheiden, zu Mittag in ein Restaurant einzuladen – vielleicht mit dem Hintergedanken, dass es um diese Tageszeit nicht so viel Alkohol fließt wie abends. Man kann, wenn es passend erscheint, die Partner:innen der Mitarbeiter:innen zur Feier einladen. Damit es etwas Besonderes ist und sich die Mitarbeiter:innen geehrt fühlen, soll das Lokal, in das eingeladen wird, ein gewisses Niveau haben. Ich erinnere mich an die Enttäuschung von Mitarbeiter:innen einst, als der neue Chef die Weihnachtsfeier aus sozialen Gründen in einem von der Caritas betriebenen Restaurant bestellte statt in einem Luxushotel.
Man kann Weihnachten im Unternehmen auf viele verschiedene Arten begehen. Ich habe in meiner langjährigen Berufslaufbahn in punkto Weihnachtsfeiern so gut wie alles erlebt. An einem Universitätsinstitut, an dem ich ein paar Jahre war, übergingen wir Weihnachten stets diskret. Überall sonst wurde in irgendeiner Form gefeiert – vom formlosen Anstoßen im Büro über gemeinsame Ausflüge auf Weihnachtsmärkte, gemeinsame Besuche kultureller Aufführungen, gesetzte Abendessen in feinen Restaurants, bis hin zur riesigen Weihnachtsfeier meiner nunmehrigen Firma mit Hunderten von Leuten, Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner:innen.
Mit Schrecken erinnere ich mich an den Usus in manchen Abteilungen, allen Kolleg:innen zu Weihnachten etwas zu schenken. Dieser Brauch dürfte aber zum Glück in den letzten Jahrzehnten ein wenig ins Hintertreffen geraten zu sein. Wenn, dann schenkt man sich heute nur noch Symbolisches.
Zu welcher Weihnachtsfeier gehe ich?
Es geht in der Vorweihnachtszeit aber nicht nur um die Weihnachtsfeier im eigenen Unternehmen, sondern auch um viele andere in der Branche, zu denen man als Führungskraft eingeladen wird. Ich persönlich habe Anfang Dezember ungefähr zwanzig Einladungen am Tisch liegen. Bis Weihnachten sehe ich dann mit Faszination zu, wie meine Kollegen an allen Abenden der Woche von einer Feier zur nächsten eilen. Ich nehme keine der Einladungen an, lasse mich überall höflich entschuldigen. Alle oder keine, erscheint mir, damit niemand beleidigt ist, die einzige Lösung zu sein, und da Alle für mich keine Option ist, gehe ich nirgendwohin. Im Sinne der guten Geschäftsbeziehungen zu den anderen Unternehmen bin ich jedoch meinen Kollegen sehr dankbar, dass sie die Weihnachtsfeiertouren auf sich nehmen.
Die Weihnachtsfeier als Firmenevent des Jahres
Einige andere Unternehmen der Branche weichen der dichtgedrängten Vorweihnachtszeit aus und veranstalten ihre jährlichen Feste für ihre Geschäftspartner:innen im Sommer bei einem Gartenfest oder im Herbst bei einem Martini-Gansl-Essen. In meinem Unternehmen findet die jährliche Firmenfeier traditionell im Dezember statt. Die Location in einer umgebauten Fabrikhalle, die man von Rockkonzerten her kennt, ist unserem urbanen Image angepasst. Weihnachtlich ausgeleuchtet wirkt sie gleichermaßen zauberhaft und cool. Es gibt eine Bühne, der große Saal ist locker mit Stehtischen und Sitzgruppen bestückt. Das Rahmenprogramm und die Musikbegleitung gestalten Künstler:innen einer vor Ort ansässigen Jazz-Ausbildungsstätte, und das Catering ist, wie es sich für ein Unternehmen wie unseres gehört, international. Unserer Einladung folgen regelmäßig bis zu fünfhundert Leute, unsere Feier hat in der Branche Kultstatus.
Eingeladen sind neben der gesamten Belegschaft (ausdrücklich ohne Partner:innen) sämtliche Stakeholder des Unternehmens – die Mitglieder des Aufsichtsrats, Mitarbeiter:innen öffentlicher Verwaltungseinheiten, zahlreiche Geschäftspartner:innen. Manchmal gelingt es, eine/n ranghohe/n Politiker:in als Ehrengast für die Eröffnungsrede zu gewinnen.
Die Vorbereitungen für dieses Fest laufen naturgemäß bereits früh im Jahr an. Die Halle muss gebucht werden, das Gastgeschenk, meistens eine Publikation, wird vorbereitet, die Moderation, die hochkarätigen Show-Einlagen und der Caterer werden ebenfalls Monate vor dem Event gebucht. Zeitnah vorzubereiten sind dann die Einladungen, die wir durch Künstler:innen gestalten lassen, das Video mit der jährlichen Leistungsschau, die Begrüßungsreden und das Briefing für unseren jeweiligen Gast aus der Politik. In den Tagen vor der Veranstaltung herrscht im ganzen Unternehmen große Aufregung. Es ist jedes Mal so, als machten wir es zum ersten Mal. Vielleicht macht das Herzblut, das in diese Veranstaltung fließt, deren Erfolg aus, denke ich, als ich zum ersten Mal dabei bin.
In der Rolle der Gastgeberin
Gemeinsam mit meinen beiden Vorstandskollegen repräsentiere ich des Unternehmens. Gleichzeitig bin ich, da es ja ein Fest ist, auch „Gastgeberin“. Ich halte zu Beginn eine Rede und verbringe den Rest des Abends damit, mit möglichst vielen Gästen zu plaudern. Ich achte darauf, niemanden zu übergehen, aber auch bei keinem Gast zu lange stehen zu bleiben. Ich weiß, dass ich unter Beobachtung stehe. Jede Geste findet Beachtung und gibt, sobald sie auch nur leicht aus dem Rahmen fällt, Raum zur Interpretation … und in der Folge zu Gerüchten. Unterhalte ich mich zum Beispiel mit einer ambitionierten Abteilungsleiterin, wird dies von allen, die sich ebenfalls Aufstiegschancen ausrechnen, penibel registriert. Verweile ich länger bei dem einen potenziellen Auftragnehmer als bei seinem Konkurrenten, wird dies ebenfalls mit Argusaugen beobachtet.
Wie kleidet man sich für eine Firmenfeier?
Es versteht sich von selbst, dass ich für den Anlass entsprechend nobel gekleidet bin. Für die meisten der Gäste gilt dies auch. Sie passen sich dem festlichen Rahmen an bzw. tragen durch ihre Aufmachung selbst zum festlichen Ambiente bei. Die wenigen Mitarbeiter (und ich verwende hier bewusst keine geschlechtsneutrale Form, da es hier meiner Erfahrung ausschließlich um Männer geht), die betont leger in Jeans und Pullover auftauchen, fallen auf. Sie senden ein Signal, das man als Unhöflichkeit, fehlenden Stil oder pubertäre Aufmüpfigkeit interpretieren kann. Ich sage natürlich nichts, attestiere den Betreffenden aber Unreife, streiche sie im Geiste von der Liste potenzieller Aufstiegskandidaten, und bin mir sicher, dass andere Vorgesetzte es genauso sehen.
Auch die Chefin darf feiern
Trotz meiner gesellschaftlichen Verpflichtungen auf dem Fest nehme ich mir irgendwann Zeit zum Buffet zu gehen, damit ich den Abend nicht mit leerem Magen absolvieren muss. Ich habe auch, wenn ich meine Runden von Tisch zu Tisch drehe, meistens ein Weinglas in der Hand, an dem ich aber nur symbolisch nippe. Erst nach Mitternacht, wenn der Großteil der Gäste gegangen ist, entspanne ich mich und schließe mich der Gruppe von Leuten an, zu der es mich am meisten hinzieht. Ich bin mir meiner Rolle natürlich auch weiterhin bewusst und halte meinen Alkoholkonsum in Grenzen. Aber ein wenig lockerer darf es in den letzten Stunden durchaus zugehen. Es schadet den Geschäftsbeziehungen nicht, wenn Geschäftspartner:innen später mal verschwörerisch sagen, weißt du noch, als wir bis vier Uhr früh auf eurer Party gefeiert haben?
Die meisten Gäste verabschieden sich persönlich und bedanken sich für die Einladung. Auch etliche Mitarbeiter:innen machen es so und bekommen dafür auf meiner geistigen Liste einen Pluspunkt. Es ist eine Frage von Stil und ihre Souveränität, sich auch auf einer Firmenfeier wie ein Gast zu verhalten.
Was auf einer Firmenfeier gar nicht geht
Fehlverhalten auf Weihnachtsfeiern ist geradezu ein Klassiker unter den Faux pas des Berufslebens und wird gerne als abschreckendes Beispiel herangezogen, wenn es um Benimmregeln geht. Offenbar tragen die Umstände kurz vor Weihnachten – die Dunkelheit, die Freude auf die Feiertage, und der Alkohol – dazu bei, dass die Schranken guten Benehmens besonders leicht fallen. Will man sich den Respekt von Vorgesetzten, Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner:innen erhalten, tut man jedoch gut daran, sich auch bei feucht-fröhlichen Weihnachtsfeiern unter Kontrolle zu halten.
Ich gehe davon aus, dass die No-Goes für Firmenfeiern, die für Führungskräfte und Mitarbeiter:innen gleichermaßen gelten, allen bekannt sind. Zur Erinnerung noch einmal die wichtigsten:
(1) Man bringe niemanden mit, der nicht eingeladen ist, auch keine Partner:innen. Ist es nicht ausdrücklich anders angekündigt, sind Firmenfeiern beruflichen Kontakten vorbehalten.
(2) Man betrinke sich nicht. Ein paar Gläschen in Ehren, doch niemand verschafft sich Respekt, der zu lallen oder torkeln beginn oder mit gelockerter Zunge alles Mögliche ausplaudert, was nicht in die Öffentlichkeit gehört.
(3) Man trete, auch wenn man ein bisschen beschwipst ist, niemandem zu nahe, schon gar nicht körperlich. Tätscheln, Grabschen oder Küsschen, die über kollegiale Begrüßungsrituale hinausgehen, sind tabu. Auch Schmusereien im gegenseitigen Einvernehmen haben auf einer Firmenfeier nichts verloren.
(4) Man achte als Vorgesetzte:r darauf, auch in fortgeschrittener Feierlaune kein Du-Wort anzubieten, das man am nächsten Morgen bereut.
(5) Man rüge als Vorgesetzte:r niemals Mitarbeiter:innen vor Publikum. Selbst wenn etwas am Fest nicht wie geplant geklappt hat, sollte man nonchalant darüber hinwegsehen und es ein paar Tage später in die Nachbesprechung einbringen. Zurechtweisen von Mitarbeiter:innen vor Ort ist peinlich für alle Beteiligten und ruiniert die Stimmung. Meistens bemerken die Gäste ohnehin nichts von der Panne, und wenn, sind sie in ihrer Festlaune immer bereit, großzügig darüber hinwegzusehen.
Will man die No Goes mit einem Satz umreißen, dann besagt die erste Regel für jede Firmenfeier ganz einfach, dass man nichts tun sollte, was man am nächsten Morgen bereut.
Ist dennoch etwas geschehen, dann soll man am nächsten Tag ehrlich um Entschuldigung bitten. Man kann, mit respektvoller Erklärung, sogar ein leichthin angebotenes Du-Wort wieder zurücknehmen.
Nachsicht für junge Mitarbeiter:innen
All das Gesagte klingt zweifellos streng, doch wer im Unternehmen ernst genommen werden will, tut gut daran, sich an die ungeschriebenen Regeln zu halten. Eine Ausnahme gilt nur für ganz junge Mitarbeiter:innen. Die Jugend hat, so finde zumindest ich, einen Sonderstatus. Ist man jung, tut es dem Ruf keinen Abbruch, wenn mal über die Stränge geschlagen wird. Auch wer als 20-Jährige/r auf dem Tisch getanzt hat oder von den Kolleg:innen angetrunken heimgebracht werden musste, kann später noch eine glänzende Karriere machen. Dieser Freiraum gilt aber nur bis zu einem gewissen Alter. Später wird es ganz rasch peinlich.
Mein Tipp:
Man merke sich: Eine Firmenfeier ist keine private Party. Man sollte sich auch in dem festlichen und geselligen Rahmen nicht nach Lust und Laune, sondern kontrolliert und strategisch bewegen.
Ist es einer Gruppe von Kolleg:innen dennoch ein Anliegen, anlässlich einer Firmenfeier mal gemeinsam die Sau herauszulassen, dann ist es am besten, danach noch woanders hinzugehen und es dann dort unbeobachtet und in Anonymität zu tun.