In den vorangegangenen Einträgen habe ich aus meinem beruflichen Alltag geplaudert und dargestellt, was eine Führungskraft so alles tut. Ich habe noch nichts darüber gesagt, wie sie es macht. Wie führt man ein Unternehmen? Welchen Führungsstil soll man sich zu eigen machen und pflegen? Gibt es die eine „richtige“ Art der Führung?

Welcher Führungsstil ist der beste?

Die klassischen Archetypen von Führungsstilen werden in der Management-Literatur ungefähr so beschrieben:

  • autokratisch/patriarchalisch/autoritärer Führungsstil, geprägt von uneingeschränkter Alleinherrschaft des/der Vorgesetzten und strenger Hierarchie;
  • bürokratischer Führungsstil, gekennzeichnet vor allem durch formal festgelegte Regeln und Abläufe;
  • kooperativer Führungsstil mit flacher Hierarchie und Einbindung der Mitarbeiter:innen in die Entscheidungsfindung;
  • charismatischer Führungsstil, der sich vor allem durch die Persönlichkeit der/des Vorgesetzten definiert;
  • Laissez-faire Führungsstil, dessen Bezeichnung fast schon einen Widerspruch in sich darstellt. Dieser Führungsstil umschreibt das – bewusste oder unbewusste – Schleifenlassen der Führungszügel und großzügiges Delegieren von Entscheidungen an die Mitarbeiter:innen.

Führungsstile in der Praxis

Ich habe in meiner langen Berufskarriere eine ganze Reihe von Führungspersönlichkeiten kennengelernt und beobachtet und dabei – wenig überraschend – festgestellt, dass sich Führungskräfte in ihrer Rolle sehr unterschiedlich verhalten. Der schon fast siebzigjährige Direktor eines riesigen Baukonzerns agiert in seiner Position anders als der junge Leiter eines kleinen Start-ups der IT-Branche, und die Hotelchefin in einem Tourismusort in den Alpen anders als die Direktorin einer internationalen Bank in der großen Stadt. Neben den Unterschieden, die durch Branchen oder regionale Gegebenheiten bedingt sind, gibt es große Unterschiede in den Persönlichkeitsstrukturen der Führungskräfte und dadurch auch in den Führungsstilen.

Ich habe nie erlebt, dass eine Führungskraft einen der oben angeführten Führungsstile in seiner reinen Form praktiziert. Auch wenn es oft eine starke Tendenz in die Richtung des einen oder anderen Archetyps gab, so bedienen sich doch alle Führungskräfte bis zu einem gewissen Grad eines „Stil-Mixes“.

Wenn ich in meinem Gedächtnis einige der Chefs und Chefinnen, die meinen Weg gekreuzt haben, Revue passieren lasse, ergibt sich ein buntes Bild: 

Der Autokrat

Die Autokratie eines autoritären Firmenpatriarchen habe ich nicht selbst erlebt, aber aus naher Distanz beobachtet. Der machtvolle Chef eines befreundeten Unternehmens, eine schon etwas ältere und erfahrene Persönlichkeit, führte sein Unternehmen mit eiserner Hand. Sein knappes Wort galt unwidersprochen, aber auch seine Handschlagqualität war sowohl im Unternehmen als auch in der Branche legendär. Bei der weiblichen Belegschaft und auch unter den Kolleginnen aus der Branche war er geschätzt, da er, obwohl alte Schule des Mannseins, nicht nur galant war, sondern souverän genug, um Ideen und Arbeit von Frauen zu würdigen. Männliche Mitarbeiter, insbesondere jüngere, hatten es hingegen schwer mit ihm. Immer wieder ergaben sich stellvertretende Vater-Sohn-Konflikte, die häufig darin mündeten, dass die jungen Mitarbeiter im Streit das Handtuch warfen. Kooperierte man mit diesem Unternehmen, wechselten die Gegenüber häufig, und man musste die Zusammenarbeit immer wieder neu gestalten.

Dieser Chef agierte autoritär, doch er verfügte über profundes Fachwissen und war in der Branche hoch angesehen. Ich habe andere Chefs (und auch Chefinnen) gesehen, denen diese guten Eigenschaften fehlten, die aber dennoch tyrannisch über die Belegschaft herrschten. In vielen Unternehmen und Institutionen geht es tatsächlich auch heute noch außerordentlich hierarchisch zu. Viele Mitarbeiter:innen lernen in ihrem Berufsleben nichts anderes kennen lernen als Vorgesetzte, deren Wünschen und Anordnungen man sich widerspruchslos zu fügen hat. Das ist zweifellos ein Widerspruch zu demokratischen Ansprüchen in der Gesellschaft.

Autoritäres Führungsverhalten ist kein Zeichen von persönlicher Stärke

Auch wenn ich nicht viel von autokratischem Führen halte, muss ich dennoch einräumen, dass ein bisschen Autorität manchmal angebracht ist, insbesondere in Krisenzeiten, wo es entlastend auf die Mitarbeiter:innen wirken kann, wenn der Chef/die Chefin die Zügel fest in der Hand hat. Insgesamt ist ein autoritärer Führungsstil jedoch gewiss nicht förderlich für die persönliche und berufliche Entwicklung der Mitarbeiter:innen und für das Betriebsklima, und schon gar nicht für innerbetriebliche Innovationen. Ein autoritäres Führungsklima beraubt die Mitarbeiter:innen der Gelegenheit mitzureden, eigene Ideen oder Vorschläge einzubringen, und manchmal sogar, den Chef oder die Chefin auf Chancen oder Fehlentwicklungen aus dem eigenen Aufgabenbereich aufmerksam zu machen, da autoritäre Chef:innen dazu tendieren, Anregungen als unbotmäßige Einmischung oder als Kritik ihrer Person oder gar als Majestätsbeleidigung anzusehen. Autoritäres Führungsverhalten ist meist kein Zeichen von persönlicher Stärke. Auf Macht und Autorität, die einem das „Amt“ verleiht, müssen vorwiegend jene zurückgreifen, die sich nicht auf ihre Fachkenntnis und auf ihre Überzeugungskraft verlassen können.

Der Bürokrat/die Bürokratin

Den bürokratischen Führungsstil trifft man naturgemäß am ehesten im Bereich der öffentlichen Verwaltung an, wo Kontinuität, Verlässlichkeit und aktentechnische Nachvollziehbarkeit das Geschehen prägen. Die Entscheidungsbefugnis in diesem Bereich ist weitgehend durch fixe bürokratische Regeln vorgegeben. Eine Abteilungsleiterin in einem Ministerium kann nicht, wie der Chef einer Privatfirma, aus dem Bauch heraus entscheiden. Natürlich üben auch Führungskräfte im öffentlichen Dienst eine Steuerungsfunktion aus, aber sie müssen dies mit Bedacht auf das umfangreiche Regelwerk tun, das ihren Handlungsspielraum absteckt. Das Führungsverhalten im Bereich der Verwaltung trägt diesen Verhältnissen Rechnung. Charismatische Vorgesetzte trifft man in diesem Bereich nicht so häufig, jedoch, entgegen landläufigen Meinungen über Beamt:innen, sehr wohl solche, die außerordentlich tüchtig und engagiert sind, und die wirklich etwas bewegen wollen.

Laissez-faire als Führungsstil

Den Laissez-faire-Stil in Reinkultur habe ich bei einem meiner ersten Chefs beobachten können. Er war der typische Fall eines Experten, der durch fachliche Erfolge in seine Führungsposition gelangt war, jedoch ständig damit haderte, nun ein Institut mit Bürokratie und Mitarbeiter:innen leiten zu müssen, wo er sich doch viel lieber weiter seiner Forschung widmen wollte. Für ihn war der Umgang mit praktischen Dinge des Lebens generell eine Zumutung, und so ließ er sich auch an seinem Institut nur ungern in die Niederungen des Alltags herab. Ihm war es gleichgültig, ob die Sekretärin pünktlich zur Arbeit erschien oder nicht, oder an heißen Sommertagen zwei Stunden früher nach Hause ging, und wenn die jungen Assistent:innen in der Kochnische des Büros ganze Menüs fabrizierten und danach am langen Tisch in der Bibliothek Tischtennis spielten statt sich ihren Forschungsarbeiten zu widmen. Solange er seine Ruhe hatte, konnten alle anderen tun was sie wollten. Er trieb seine Leute weder an, noch wies er den jungen Nachwuchskräften einen Weg. Er war persönlich überaus beliebt, doch mit Führung hatte sein Verhalten, wie mir heute klar ist, nicht wirklich viel zu tun.

Mitarbeiter:innen wollen wissen, woran sie mit dem/der Vorgesetzten sind

Eine Mischung aus Laissez-faire und Charisma wies der Führungsstil meiner nächsten Vorgesetzten, diesmal einer Frau, auf. Sie war die Gelassenheit in Person und verstand es vorzüglich, sich Dinge, die sie nicht unmittelbar betrafen, vom Hals zu halten. Sie agierte so kühl und distanziert, dass man es sich als Mitarbeiter:in dreimal überlegte, mit einem Anliegen an sie heranzutreten oder sie mit Nebensächlichem zu behelligen. Da aus ihrer Sicht das meiste nebensächlich war, blieb sie auch weitgehend unbehelligt. Ging es jedoch darum, wichtige Entscheidungen zu treffen, dann tat sie dies sachlich und ohne zu zögern. In ihrem Verhalten blieb sie immer höflich, klar und bestimmt. Sie redete nie um den Brei herum, sagte gerade heraus, wie sie die Dinge haben wollte, und nahm durchaus gelegentlich Anleihe am autoritären Führungsstil. Für die Mitarbeiter:innen war es angenehm, mit ihr zu arbeiten, weil man bei ihr stets wusste, woran man war. Ihre Fähigkeit zur Abgrenzung bescherte ihr auch eine gute Work-Life-Balance. Sie lebte in beeindruckender Weise vor, wie man ohne Überstunden am Abend oder am Wochenende ein riesiges Unternehmen erfolgreich führen konnte.

Autoritärer Führungsstil als „Notwehr“

Zwei andere Chefinnen, die ich beobachten konnte, machten es ihren Mitarbeiter:innen deutlich schwerer. Beide stammten aus einer Generation, in der Frauen in Führungspositionen so selten wie Schnee im Sommer waren. In diesem Gebäude habe es bis vor kurzem nicht einmal eine Frauentoilette gegeben, sagte mir die eine, Personalchefin einer lange von Männern dominierten höheren Bildungseinrichtung. Sie hatte sich durch Professionalität, Unnahbarkeit und ein äußerst bestimmtes Auftreten Respekt verschafft und war am Ende selbst von der honorigen Professorenschaft des Hauses gefürchtet. Auch die andere, Chefin eines Unternehmens in der Baubranche, hat auf autoritäres Verhalten gesetzt. Sie war in der ganzen Branche gefürchtet. „Hätte ich nicht den Drachen gespielt, wäre ich untergegangen“, hörte ich sie einmal sagen, und ich glaubte ihr aufs Wort.

Charismatische Führungskräfte beflügeln oder schüchtern ein

Der charismatische Führungsstil ist auf den ersten Blick attraktiv, doch er hat, wie ich meine, mindestens zwei Seiten. Grundsätzlich ist kaum eine Atmosphäre besser geeignet, zu inspirieren und den Mitarbeiter:innen Flügel wachsen zu lassen als eine, die charismatische Führungspersönlichkeiten zu schaffen vermögen. Ich hatte in meinem Leben zweimal Chefs, deren Charisma ihr Umfeld dazu beseelte, in einen produktiven und schwungvollen Dauer-Flow zu geraten und das Beste aus sich herauszuholen. Beide sind außergewöhnliche Persönlichkeiten, jeder auf seine Art, der eine künstlerisch und visionär, der andere von einer menschlichen Souveränität, die ihresgleichen sucht. Gemeinsam war beiden eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit und brillante Eloquenz, strategischer Weitblick sowie echte Begeisterung für ihre Arbeit, fürs Leben und für die Menschen. Beide konnten sehr machtbewusst agieren, wenn es um die eigene Karriere ging, doch keiner von beiden hatte es je nötig, dabei andere klein zu machen, zu diffamieren oder gar mit unfairen Mitteln aus dem Feld zu schlagen. Beide wussten, dass sie umso erfolgreicher sein würden, je besser das Team war, das sie um sich scharten, und sie waren selbstsicher genug, dieses ohne hierarchische Dünkel und ohne Angst vor heranwachsender Konkurrenz arbeiten zu lassen – nicht zuletzt, da sie selbst in ihrer jeweiligen Disziplin unumstrittene Spitzenleute waren. Beide waren Musterbeispiele für Persönlichkeiten, deren Führungsverhalten vor allem auf ihrem Charisma beruhte.

Während mich solche Menschen immer wieder begeistert und auf meinem beruflichen Weg weitergebracht haben, sind nicht alle Mitarbeiter:innen mit charismatischen Führungspersönlichkeiten glücklich. Während ich und andere unter der Führung von charismatischen Menschen durchstarten konnten, fühlten sich andere von der Dynamik und der Strahlkraft ihrer Chef:innen überfordert.

Auch Narzist:innen haben oft Charisma

Von der charismatischen zur narzisstischen Führungspersönlichkeit ist es im Übrigen oft nur ein kurzer Weg. Narzissten sind oft begnadete Blender. Sie profilieren sich weniger über Fachwissen als über ihr Talent zu verzaubern, sich mit dem Nimbus eines Genies oder Messias zu umgeben und damit den Verstand so mancher Mitarbeiter:innen, Aufsichtsrät:innen und Geschäftspartner:innen zu vernebeln. Nicht nur in der Politik gibt es solche Rattenfänger (so gut wie immer sind es Männer), die sich in kühnen Visionen ergehen und eine bewundernde Jünger:innenschaft um sich scharen. Sie wollen aber letztlich nur eines: im Mittelpunkt stehen, sich in der Bewunderung der Welt zu sonnen, Macht haben. Um den Inhalt ihres Tuns geht es solchen Menschen in der Regel nicht. Ein Unternehmen oder eine Institution, die sie führen, ist für sie ausschließlich Mittel für ihre eigenen Zwecke. Geht ein großes Projekt, das sie mit Glanz und Gloria und dem Geld anderer Leute begonnen haben, den Bach runter, sind sie schnell weg, suchen sich eine neue Bühne, und sind nicht mehr dabei, wenn andere die Scherben, die sie hinterlassen, beseitigen müssen.

Ich habe eine solche Führungskraft erlebt und dabei ein rätselhaftes Phänomen beobachtet, das solche Menschen häufig (siehe Politik!) begleitet: Obwohl ein solcher narzisstisch-charismatischer Chef in den ersten Tagen Mitarbeiter:innen entlassen hatte, nur um zu demonstrieren, wer nun das Sagen hat, obwohl er die Belegschaft durch große Gehaltsunterschiede spaltete, und obwohl er das Unternehmen innerhalb kürzester Zeit nachweislich an den Rand des Ruins getrieben hatte, gab es auch Jahre nach seinem Weggang immer noch Firmenangehörige, die ihm und seiner schillernden Ära nachtrauerten, und mitleidig auf jene herabsahen, die nun, nüchtern und ohne Glanz und Gloria, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen durchführen mussten.

Der kooperative Führungsstil

Der kooperative Führungsstil entspricht insbesondere kreativen und wissensbasierten Milieus. Wo Wissen oder Kunst und Kultur produziert werden, wäre es geradezu fahrlässig, die Kreativität der Mitarbeiter:innen nicht miteinzubeziehen und Entscheidungen ohne ihre Ideen und ihre Mitsprache zu treffen. In solchen Milieus finden sich denn auch vorwiegend Menschen, die Freiraum brauchen um produktiv zu sein, die Freude am Mitdenken und Mitgestalten haben und gerne Verantwortung übernehmen, die offen für Neues sind, die mit ihren Aufgaben verschmelzen, und die nicht nur ihr eigenes, kleines Arbeitsfeld im Blick haben, sondern das große Ganze. Eine Belegschaft, die aus solchen Menschen besteht, verfügt über ausreichend intrinsische Motivation und braucht keine Stundenlisten, Stechuhren oder sonstige Kontrollmechanismen.

In eine Gesellschaft mit dem Anspruch der Demokratisierung aller Lebensbereiche inklusive der Arbeitswelt sollte ein kooperativer Führungsstil am ehesten entsprechen. Er ist jedoch in der Praxis nicht so weit verbreitet wie anzunehmen wäre.

„Männlicher“ oder „weiblicher“ Führungsstil?

Viel ist davon die Rede, dass Frauen einen „weiblichen“ Führungsstil praktizieren und dass dieser zukunftsweisend sei. Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen einem „männlichen“ und einen „weiblichen“ Führungsstil? Wenn ja, woran kann man ihn erkennen?

In unserer Gesellschaft werden Männern und Frauen stereotyp unterschiedliche Stärken zugeordnet. Demnach werden bestimmte Verhaltensweisen in der Unternehmensführung als eher männlich oder eher weiblich bezeichnet. Klassisch ist, dass man Männern eher konkurrenzbetonte, Frauen hingegen kooperative und kommunikationsbasierte Führungsstile zuordnet. Klar ist, dass diese Zuordnungen nicht auf einzelne Führungskräfte bezogen gelten, denn auch Frauen setzen auf Elemente des „männlichen“ Stils, während umgekehrt männliche Chefs durchaus kommunizieren und kooperieren können. Die beiden erfolgreichen (männlichen) Führungskräfte, von denen ich oben erzählt habe, hatten tatsächlich beides drauf: In ihrem Machtbewusstsein und in ihrem Konkurrenzverhalten erfüllten sie das Stereotyp „männlich“, doch so richtig erfolgreich machte sie erst die Kombination mit ihren „weiblichen“ Fähigkeiten zu Empathie, Kommunikation und zum Zuhören.

Ob im „weiblichen“ Stil mit Kommunikation, Kooperation und demokratischen Entscheidungsstrukturen die Zukunft liegt? Eine Entwicklung der Arbeitswelt in diese Richtung wäre zweifellos wünschenswert, doch wird es wohl noch ein langer Weg dorthin. Die weltweit sich verbreitenden autoritären Entwicklungen auf politischer Ebene, die dazu angetan sind, Menschen unmündig zu halten, lassen eher eine gegenteilige Tendenz befürchten.  

Wovon hängt der persönliche Führungsstil ab?

Der Stil, den eine Führungskraft pflegt, hängt immer von ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung sowie von ihrem Menschenbild ab, also von der Frage, ob man die Mitarbeiter:innen als reife, eigenverantwortliche Persönlichkeiten sieht, für die es Ehrensache ist, eine ordentliche Arbeitsleistung zu erbringen, oder aber als kleinliche, in jeder Situation nur auf den unmittelbaren Eigennutz bedachte Wesen, die man mit Zwang und Sanktionen zum Arbeiten bringen muss. In den meisten Unternehmen gibt es wohl beide Typen, und so gilt es auch hier, das Führungsverhalten darauf abzustimmen. Dabei ist zu bedenken, dass es für leistungsbereite Mitarbeiter:innen äußerst demotivierend ist, wenn eine Führungskraft gute Absichten und ehrenhafte Haltung nicht erkennt, und Zwang und Kontrolle auch dort ausübt, wo es unangebracht und daher kontraproduktiv ist.  

Gesellschaftspolitische Positionierungen spielen bei der Auswahl des Führungsstils offenbar eine geringere Rolle. Ich habe in Einrichtungen, die politisch eher der konservativen Seite zuzurechnen waren, sehr noble und großzügige Vorgesetzte gesehen, und in „fortschrittlichen“ Organisationen Kontrollfreaks bzw. autoritäre Persönlichkeiten, die zwar die Demokratie im Munde führten, jedoch im Geschäftsalltag keinen Widerspruch, ja nicht einmal eine Mitsprache seitens der Mitarbeiter:innen dulden wollten.

Mein persönlicher Führungsstil

Ich persönlich bevorzuge seit meinen Anfängen in der Forschungsszene auch als Führungskraft einen kooperativen Führungsstil mit Laissez-faire-Elementen. Ich lasse meine Mitarbeiter:innen mitreden, appelliere an deren Verantwortung und Leistungsbereitschaft und überlasse es den Leuten selbst, wann, wann, wo und wie sie ihre Aufgaben erfüllen wollen. Ich mag mich nicht um Details kümmern, übe in Bezug auf die Arbeit wenig Kontrolle aus und greife nur steuernd ein, um das Schiff auf Kurs zu halten. Am produktivsten sind die Menschen, so denke ich, wenn das Feuer entfacht ist, und sie die Aufgaben und Projekte quasi als ihre eigenen sehen. Und ich halte es mit Laotse, der sagte: „Wer führen will, darf denen, die er (sie) führt, nicht im Wege stehen.“

Den Führungsstil dem beruflichen Milieu anpassen

In meinem neuen Wirkungsfeld, einem bodenständigen Unternehmen, wird mein Führungsstil, der viel Raum für Freiheit und Eigenverantwortung lässt, allerdings nur von einigen Mitarbeiter:innen geschätzt. Ein guter Teil der Belegschaft arbeitet lieber nach detaillierter Anweisung und mag es nicht, wenn der Spielraum zu groß wird. Sie sind es nicht gewohnt. Für diese Mitarbeiter:innen geht meine Laissez-faire-Führung mit Verunsicherung einher, und meine Erwartung, mitzudenken und mitzureden, führt bei manchen zu gefühlter Überforderung.

Hier zeigt sich, dass es für eine erfolgreiche Mitarbeiterführung nicht optimal ist, nur einen einzigen Stil anzuwenden. So wie ein Unternehmen einen guten Mix von Mitarbeiter:innen braucht, so ist es von Vorteil, wenn eine Führungskraft über ein breiteres Verhaltensrepertoire verfügt und flexibel genug ist, um je nach Bedarfsfall Anleihen bei dem einen oder anderen Führungsstil nehmen zu können. Leicht ist dies nicht. Meiner Erfahrung nach sind nur sehr ausgereifte und persönlich gefestigte Personen in der Lage, situationsgerecht und flexibel zu agieren. Und ganz sicher bin ich mir obendrein nicht, ob ein solcher Wechsel wirklich das Non-Plus-Ultra ist, denn es hat für die Mitarbeiter:innen zweifellos auch etwas für sich, wenn der Chef/die Chefin immer gleich agiert, also allemal kalkulierbar bleibt, und nicht einmal so, einmal anders handelt.

Es sollte für Führungskräfte Standard sein, den eigenen Führungsstil vor dem Hintergrund der realen Gegebenheiten im jeweiligen Wirkungsbereich permanent zu reflektieren.

„Unbemerkt“ führen

Wie mein persönlicher Führungsstil von außen wahrgenommen wird, hat mir einmal ein Branchenkollege vermittelt. In der Pause eines Seminars tauschte ich mich mit ihm über das Führen von Mitarbeiter:innen aus. Ich sagte schließlich resümierend über mich selbst: „Eigentlich führe ich ja gar nicht.“

Der Kollege, der mich gut kannte, lächelte: „Und wie du führst!“ sagte er.

Das amüsiert mich noch heute, und ich fühle mich in meinem „unbemerkten“ Tun durchaus bestätigt. So und nicht anders will ich es nämlich machen.