Bekommt man den Job, geht es ans Aushandeln der Bedingungen, unter denen der Arbeitsvertrag abgeschlossen wird. Vor allem geht es dabei um das Gehalt.

Manchmal gibt es wenig Verhandlungsspielraum, weil, wie etwa im öffentlichen Dienst, ein fixes Gehaltsschema gilt, das nach strengen formalen Kriterien anzuwenden ist. Dort sind Gehaltsstufen, Zulagen und jährliche oder biennale Vorrückungen festgelegt. Ist man einmal in einem solchen Schema eingestuft, steht alles Weitere fest. Man bekommt die vorgesehenen Erhöhungen von selber und braucht nie wieder Gehaltsverhandlungen führen.

Einstufung in ein Gehaltsschema

Gehaltstafeln existieren auch in privaten Unternehmen, doch bleibt dort für gewöhnlich weitaus mehr Verhandlungsspielraum, etwa in Bezug auf die die Anrechnung von Vordienstzeiten oder die Definition des Aufgabenbereiches des/der neuen Mitarbeiter:in, die zusammen die Grundlagen für ein Ersteinstufung ins Gehaltsschema darstellen. Insbesondere über die Anrechnung von Vordienstzeiten kann meist recht flexibel verhandelt werden.

Ein Gehaltsschema ist ein Regelwerk, das für eine gerechte Gehaltsstruktur in einem Unternehmen sorgen soll. So auch in meiner neuen Firma. Umso mehr staune ich, als ich einen Blick auf die Gehaltsliste werfe.

Es gibt ein Gehaltsschema und trotzdem sind die Gehaltsunterschiede groß

Die Gehaltsdifferenzen zwischen einzelnen Mitarbeiter:innen sind groß und lassen sich weder durch Dienstalter oder Funktion und schon gar nicht durch unterschiedliche Leistungsniveaus erklären. Ich kenne viele der leitenden Mitarbeiter:innen nun schon persönlich und weiß, welche Positionen sie bekleiden, welche Funktionen sie im Unternehmen ausüben, wie alt sie ungefähr sind, und ob sie Leistungsträger:innen sind oder durchschnittlich arbeiten oder gar im Dienst nach Vorschrift machen.

Männer und Frauen

Ich stelle ein paar Berechnungen an und vergleiche die Männer- mit den Frauengehältern. Die Frauen bekommen durchschnittlich um eintausend Euro im Monat weniger als die Männer. „Natürlich“ bekleiden die Männer höhere Positionen, und „natürlich“ sind es vorwiegend Frauen, die Teilzeitarrangements haben, aber nicht alle Gehaltsunterschiede lassen sich darauf zurückführen.

Haben Männer „besser verhandelt“?

Ich konfrontiere meine Vorstandskollegen mit diesem Befund. Ja, ungerecht, aber historisch gewachsen, meint einer mit einer Geste des Bedauerns. Die drei Männer mit den höchsten Gehältern seien von einem Vorgänger ins Unternehmen geholt worden, und wahrscheinlich hätten sie “gut verhandelt”. Frauen verhandelten generell weniger geschickt, meint er. Ich frage, ob er persönlich jemandem ein solch hohes Gehalt zahlen würde, wenn dieser “gut verhandelt”. Der Kollege verneint. Eine zu niedrige Gehaltsforderung würde er hingegen sofort akzeptieren, denn: je geringer die Personalkosten, umso besser.

Es ist nicht nur in unserem Unternehmen so, die geschlechtsspezifischen Einkommensstatistiken sprechen eine deutliche Sprache. Wann immer Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen begründet werden, hört man neben dem Hinweis auf Teilzeitarbeit und der unterbrochenen Karriereverläufe aufgrund von Familienpflichten immer wieder die Sache mit dem Verhandeln, das Frauen angeblich weniger gut beherrschen als Männer.

Wunder ist dies keines, denn aller Gleichberechtigung zum Trotz bekommen Mädchen und Frauen auch heute noch vielfach fragwürdige Botschaften vermittelt. Nicht wenige von uns haben noch die Stimmen unserer Eltern im Ohr, die uns zu Leistung und Sorgfalt mahnen und uns gleichzeitig einschärfen, ja nicht unverschämt zu sein, sondern stets im bescheiden im Hintergrund zu bleiben. Vorurteile und antiquierte Glaubenssätze lassen grüßen, und meist zum Nachteil von Frauen. 

Frauen müssen fordern

Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts, stellte schon die berühmte feministische Philosophin Simone de Beauvoir einst fest. Anscheinend hat sich bis heute nicht allzu viel verändert: Wie man der Website einer aktuellen Fraueninitiative entnehmen kann, sucht gut ein Viertel der Männer jährlich um mehr Gehalt an, während 42 Prozent der Frauen noch NIE eine Gehaltserhöhung verlangt haben. Aus meiner langjährigen Erfahrung kommt mir dieser Befund leider durchaus plausibel vor.

Es gilt also insbesondere für Frauen, immer wieder über den eigenen Schatten zu springen und möglichst hoch zu pokern.

Gehaltserwartungen lieber etwas höher ansetzen

Wird man nach Gehaltswünschen gefragt, so rate ich allen Bewerber:innen, Männern wie Frauen, ihre Forderung lieber etwas höher ansetzen als das Gehalt, das man zu akzeptieren bereit ist. Erstens wirkt man von sich überzeugt, wenn man eine ordentliche Bezahlung verlangt. Sollte die verlangte Summe zu hoch sein, wird einem das schon gesagt werden, und man kann in der Verhandlung immer noch etwas “nachlassen”. Zweitens vermeidet man das Debakel, “schlecht zu verhandeln”, indem man weniger verlangt als die Firma von sich aus zu zahlen bereit wäre. Kein Vorgesetzter korrigiert die niedrigen Gehaltserwartungen bescheidener Bewerber:innen von sich aus nach oben. Wenn jemand wenig verlangt, bekommt er/sie leider auch wenig. Umgekehrt kann es vorkommen, dass eine Gehaltsforderung, die einem selbst als unverschämt hoch anmutet, ohne Diskussion akzeptiert wird.

Will man Verhandlungsbereitschaft signalisieren, ist ein Satz wie der folgende sicher nicht falsch:

Ich hätte gerne soundso viel, und hoffe, dass das in Ihr Gehaltsschema passt.

Anwärter auf eine neue Stelle sollten sich hinsichtlich der Gehaltsstruktur in der Branche oder in dem Unternehmen, bei dem sie sich bewerben, erkundigen und die eigenen Gehaltsforderungen entsprechend anpassen. Dabei sind betriebliche Sozialleistungen, sofern bekannt, zu berücksichtigen, denn auch sie stellen einen Bestandteil des Entgelts dar. Auch Leistungsprämien, Weiterbildungskurse, deren Kosten das Unternehmen übernimmt, oder günstige Zeitarrangements können Gegenstand von Einstellungsverhandlungen darstellen.

Gehalt drücken zahlt sich fürs Unternehmen nicht immer aus

Äußerst fraglich ist, ob es wirklich im Interesse des Unternehmens sein kann, aus einer Arbeitskraft so viel wie möglich herauszuholen und so wenig wie möglich zu bezahlen. Ich weiß nämlich aus eigener Erfahrung, wieviel Frust es erzeugt, wenn die Betreffende irgendwann dahinterkommt, dass sie um vieles weniger verdient als der Kollege am Schreibtisch nebenan, und ich habe schon gute Leute deswegen eine Firma verlassen sehen. Durch den Verlust tüchtiger Arbeitskräfte und durch die Fluktuation sind die Kosten für das Unternehmen mitunter deutlich höher als das, was sie sich durch das „schlechte“ Verhandeln einer Mitarbeiterin erspart hat.