Wir stellen hierarchische Verhältnisse in Unternehmen und Institutionen selten grundsätzlich in Frage, weil wir wissen oder zumindest ahnen, dass sie, obwohl manchmal irritierend, eine wichtige Funktion haben.

Wir kennen wohl auch berufliche Zusammenschlüsse mit sehr flachen oder gar keinen Hierarchien wie etwa kleine kreative Start-ups oder Praxisgemeinschaften gleichberechtigter Ärzt:innen oder Therapeut:innen, oder Anwaltskanzleien mit formal gleichrangigen Partner:innen, doch die sind in unserem Wirtschaftsleben in der Minderheit. Die Mehrzahl der Unternehmen und Institutionen sind, meist in mehreren Abstufungen, hierarchisch strukturiert. Es gibt klare Zuständigkeiten, Entscheidungsbefugnisse, Befehls- und Verantwortungsketten, an die sich die Funktionsträger:innen halten müssen.

Damit sind die wichtigsten Funktionen einer hierarchischen Struktur bereits umrissen.

Hierarchien legen Zuständigkeiten, Entscheidungsbefugnisse und Befehlsketten fest

Eine transparente Entscheidungs- und Verantwortungsstruktur ist nicht für das Innenverhältnis eines Unternehmens von Bedeutung, sondern auch für Kund:innen, Geschäftspartner:innen, Behörden, Banken, usw. Blickt man ins Firmenbuch oder ins Organigramm eines Unternehmens, kann man erkennen, welche Funktion jede:r Firmenangehörige einnimmt, und welche Befugnisse er/sie hat. Aus der formalen Struktur kann man beispielsweise herauslesen, ob die Person, mit der man gerade eine Sache verhandelt, verbindliche Zusagen im Namen der Firma machen darf, oder ob die Entscheidungsbefugnis am Ende bei jemandem aus einer höheren Ebene liegt.  

Die Gesamtverantwortung bleibt immer auf der obersten Führungsebene

Führungskräfte delegieren zwar viele Aufgaben an die Mitarbeiter:innen, tragen aber nach außen hin für deren Ausführung die Verantwortung. Mit der Macht, Entscheidungen treffen, geht immer die Pflicht einher, für die Folgen dieser Entscheidungen gerade zu stehen. Man haftet für alles, was durch die Tätigkeit des Unternehmens geschieht. In Streitfällen, die die Firma betreffen, bekommen nicht die Mitarbeiter:innen, die einen etwaigen Schaden verursacht haben, die gerichtliche Klage zugestellt, sondern der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin oder das zuständige Vorstandsmitglied.

Durchbrechen von Hierarchien kränkt und verunsichert

Wird eine bestehende Hierarchie in Frage gestellt oder durchbrochen, so kann dies im Außenverhältnis Geschäfte ungültig machen. Im Innenverhältnis ist es nicht so folgenreich, jedoch für alle Beteiligten zumindest irritierend. Eine Abteilungsleiterin, die sich selbst an den „Amtsweg“ hält, verwehrt sich zu Recht dagegen, dass die Chefin Angelegenheiten, die ihre Abteilung betreffen, zuerst mit einer Mitarbeiterin statt mit ihr bespricht. So etwas ist klar gegen die festgelegte Abmachung, und gegen das, worauf man sich im Arbeitsalltag verlassen können sollte. Eine solche Vorgangsweise, wie sie im vorigen Beitrag geschildert wurde, setzt die Autorität der betroffenen Abteilungsleiterin vor den anderen Mitarbeiter:innen herab, und schadet damit implizit auch dem Unternehmen.

Als Führungskraft muss man die hierarchische Struktur genauso respektieren wie man es von den Mitarbeiter:innen erwartet.

Die hierarchische Position nicht ausnützen!

Darüber hinaus sollte man als Führungskraft im Sinne der Fairness und des menschlichen Respekts die hierarchische Stellung niemals ausnützen. Mitarbeiter:innen, die einem unterstellt sind, sind nicht dafür da, private oder gar persönliche Dienstleistungen zu erbringen oder den Blitzableiter für schlechte Laune darzustellen. Im Umgang mit Mitarbeiter:innen sollte darüber hinaus klar sein, dass auch im Fall von Anordnungen, zu denen die Führungskraft befugt ist, der Ton die Musik macht. Anreden und Gesten, die ein hierarchisches Verhältnis über Gebühr unterstreichen, sollten unterlassen werden – wie etwa die Sekretärin, mit der man per Sie ist, trotzdem bei ihrem Vornamen zu nennen oder aus dem Chefzimmer laut nach ihr zu schreien, damit sie zum Diktat komme oder den Kaffee bringe. Eine unangebrachte Machtdemonstration ist es auch, den Arm oder die Schulter eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin – wenn auch freundschaftlich – zu berühren, wenn man mit ihm/ihr spricht. Umgekehrt wäre dies nämlich nicht möglich, und genau diese Reziprozität sollte im persönlichen Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter:innen der Maßstab sein.

Weibliche Vorgesetzte und Hierarchien

Andererseits schadet es nicht, gelegentlich durch die eine oder andere feine Geste oder, wenn nötig, auch durch klare Worte, an die hierarchischen Verhältnisse zu erinnern – insbesondere, wenn man eine weibliche Vorgesetzte ist, die noch dazu gerne einen kollegialen Führungsstil pflegen möchte und eigentlich keine Lust hat, dauernd die Chefin herauszukehren. In hierarchisch strukturierten Organisationen laufen kollegial handelnde Chefinnen nämlich Gefahr, nicht so ernst genommen zu werden wie männliche Kollegen, die Macht und hierarchische Stellung zu inszenieren wissen. Ich selbst war mehrmals nahe daran, in diese Falle zu tappen und habe mein Verhalten korrigiert, nachdem mir eine Mitarbeiterin, die neben mir auf einem öffentlichen Podium saß, vor versammelter Kundschaft widersprach und meine Entscheidung in Frage stellte – was sie bei meinen männlichen Vorstandskollegen niemals getan hätte.

Hierarchie und Kreativität: zwei entgegengesetzte Pole?

Eine strikt gelebte Hierarchie, die auf einer strengen Befehlskette von oben nach unten beruht und wenig auf Mitsprache seitens der Belegschaft setzt, ist gut für jene, denen exakte Anweisungen Sicherheit geben. Andere fühlen sich durch ein solches Klima uninspiriert und demotiviert. Niemand getraut sich, mit einer guten Idee zum Chef zu gehen, wenn dieser einen Vorschlag als Kompetenzen überschreitende Einmischung oder gar als unbotmäßige Anmaßung sieht.

Daher sollte man, will man ein kreatives und innovatives Klima schaffen, das neues Fachwissen zutage fördert, die hierarchischen Verhältnisse zumindest bei bestimmten Gelegenheiten auflockern – etwa im Rahmen eines Seminars oder eines Brainstormings zu einem bestimmten fachlichen Thema. Wichtig ist dabei, dass die Rahmenbedingungen klargelegt sind. 

Hierarchien betreffen Funktion und Position, nicht Personen

Die meisten Probleme mit Hierarchien ergeben sich aus einem falschen Verständnis über deren Wesen und Funktion. Hierarchien sind dazu da, reibungslose Abläufe und klare Verantwortlichkeiten im Unternehmen sicherzustellen, und Anordnungen von Vorgesetzten richten sich im Idealfall immer an die Mitarbeiter:innen in ihrer beruflichen Rolle, nicht an sie als Personen. Hierarchien sind grundsätzlich nichts Persönliches, sondern Teil einer Struktur – auch wenn es, wie immer, wenn Menschen im Spiel sind, manchmal schwerfällt, das Sachliche vom Persönlichen zu trennen.

Hierarchien schaffen Sicherheit. Missachtet man sie, läuft man Gefahr, Menschen zu verunsichern oder aber in ihrer Ehre zu kränken – dessen sollten sich insbesondere alle Freigeister, die nichts auf Hierarchien geben und es gerne locker nehmen, bewusst sein.

Der Hierarchie entkommt man nicht

Die meisten Menschen respektieren ihre Vorgesetzten natürlich lieber wegen deren Qualifikation oder wegen ihres Charismas als wegen ihrer formal übergeordneten Stellung in einer Organisation. Dennoch seien all jene, die Hierarchien so sehr verabscheuen, dass sie sich aus der zähen Geborgenheit einer großen, behäbigen Organisation lieber in die aufregende Selbstständigkeit flüchten, daran erinnert, dass man auch als Unternehmer um hierarchische Zwänge nicht herumkommt. Man hat vielleicht keinen unmittelbaren Vorgesetzten, aber dafür Kundinnen und Kunden, nach deren Wünschen und Launen man sich richten muss. Ganz entkommt man den Hierarchien also nicht, egal, wo man es sich im Arbeitsleben eingerichtet hat.