Das Bilden von Zusammenschlüssen zum Zwecke gegenseitiger Unterstützung ist etwas ur-Menschliches, und auch berufliche Netzwerke, die nicht in erster Linie auf Zuneigung, sondern auf der Erwartung gegenseitigen Nutzens beruhen, haben die menschliche Beziehung als Basis. Man gesellt sich gerne zueinander, wenn man übereinstimmende Interessen hat.

Im beruflichen Netzwerk hat man Leute um sich, die nicht nur fachlich verstehen, wovon die Rede ist, sondern auch die Eigenheiten der Branche und ihrer Vertreter:innen kennen. Man tauscht Informationen aus, man bildet Interessengemeinschaften für größere Geschäfte und kooperiert auch sonst ab und zu zum gegenseitigen Vorteil. Im Idealfall wächst mit den Jahren ein Vertrauensverhältnis, das eine gute Basis für künftige Geschäfte darstellt.

Die Bedeutung beruflicher Netzwerke für Karriere und Erfolg

Ich persönlich bin mir der Bedeutung meines beruflichen Netzwerks bewusst geworden, als ich, der Liebe wegen, ins Ausland zog. Dort war ich beruflich auf mich allein gestellt. Es fühlte sich höchst befremdlich an, niemanden zu kennen und nicht zu wissen, wen man kontaktieren kann, wenn man eine Hintergrundinformation oder einen Branchentipp braucht. Als scheinbar Selbstverständliches plötzlich nicht mehr da war, bemerkte ich erstmals, wie sehr mein berufliches Tun von Netzwerken – früheren und aktuellen – abhängig gewesen war.

Wie haltbar mein altes Netzwerk war, erfuhr ich dann, als ich nach ein paar Jahren wieder zurück in die Heimat wollte. Ich hatte mit jenen Ex-Kolleg:innen, mit denen mich auch eine private Freundschaft verband, ohne jedes geschäftliche Kalkül losen Kontakt gehalten. Nun machte ich die berührende Erfahrung, dass diese Menschen, als ich sie brauchte, zur Stelle waren. Sie unterstützten mich, sodass ich rasch wieder Fuß fassen und im Nu meine berufliche Existenz wiederaufbauen konnte.

Die Stellung in einem Netzwerk wird durch die berufliche Rolle bestimmt

Bei der Bildung beruflicher Netzwerke werden wir zunächst als Rollenträger:in bzw. Inhaber:in einer bestimmten Position wahrgenommen. Nicht als Mensch, also als Freund oder Freundin, gehört man anfangs dazu, sondern aufgrund der beruflichen Funktion, die man einnimmt. Da ich in meiner Laufbahn mehrmals die Branche gewechselt habe, haben sich dadurch auch mein berufliches Umfeld und damit auch die Netzwerke immer wieder geändert. Es war allerdings nie so, dass ich aus meinen vorigen Netzwerken „ausgeschlossen“ wurde, wenn ich woanders einen neuen Job anfing. Die Kontakte verebbten zwar ein wenig, wenn die gemeinsamen Interessen abnahmen. Im Anlassfall kann ich aber bis heute auf die Kontakte früherer Netzwerke zurückgreifen.

Wer gehört zum beruflichen Netzwerk?

Die Stakeholder eines Unternehmens – also Kundschaft, Geschäftspartner:innen, Aufsichtsrät:innen, usw. – und das berufliche Netzwerk einer Führungskraft weisen Schnittmengen auf, decken sich üblicherweise aber nicht zu hundert Prozent. Als Führungskraft wird man nur diejenigen unter den Stakeholdern, zu denen man auch persönlich einen guten Draht hat, zum eigenen Netzwerk zählen. Darüber hinaus gehören gute Kontakte aus früheren beruflichen Kontexten zum eigenen Netzwerk.

Ein Netzwerk fußt auf Gegenseitigkeit

Damit ein Netzwerk funktioniert, muss es auf Gegenseitigkeit, Fairness und Verlässlichkeit beruhen. Man muss seinen Netzwerkpartner:innen soweit vertrauen können, wie es das eigene Geschäftsinteresse zulässt. Mit der Zeit entwickelt sich über die geschäftlichen Kontakte zum beiderseitigen Nutzen auch ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Branche, einem beruflichen Milieu oder zu einer Gruppe von Fachexpert:innen.

Langjährige, vertrauensvolle Beziehungen sind, genau wie im Privaten, auch im Geschäftsleben wertvoll, und die Kosten und Mühen, die man in die Pflege von Netzwerkbeziehungen steckt, rechnen sich allemal, wenn man sich dadurch langwierige Verhandlungen, so manche Vorsichtsmaßnahme oder gar Anwaltshonorare ersparen kann.

Netzwerke muss man pflegen

Die Qualität eines Netzwerkes entsteht über die Zeit und muss, wie jede menschliche Verbindung, gepflegt werden. Wir haben schon über gesellige Unternehmungen wie Saunaabende oder Trinkgelage gesprochen, die mit Geschäftspartnern genossen werden um die Netzwerkverbindungen zu stärken – und die mitunter so gestaltet sind, dass sie die Anwesenheit von Geschäftspartnerinnen nicht vorsehen. Netzwerken hat also durchaus oft eine geschlechtsspezifische Komponente.

Es gibt aber auch geschlechtsneutrale und, was Compliance-Regeln betrifft, unbedenkliche Möglichkeiten, Netzwerkpartner:innen bei Laune zu halten. Schon scheinbare Kleinigkeiten wie etwa ein Geburtstagsschreiben oder eine persönliche Gratulation zu einer Beförderung oder zur Verleihung eines Ehrentitels können eine große Wirkung haben. Frauen wie Männer können ihren Geschäftspartner:innen Komplimente machen oder etwas Nettes sagen, das signalisiert, dass man sie nicht nur in ihrer Funktion, sondern auch als Mensch wahrnimmt. Waren Sie auf Urlaub – Sie sehen so erholt aus, ist ein Beispiel für eine Formel, die unverfänglich ist und immer gut ankommt. Geschätzt wird auch, wenn man sich mit ernsthaftem Interesse nach dem Befinden des Gegenübers erkundigt, und es vielleicht sogar zustande bringt, an dem Gespräch, das man beim letzten Treffen geführt hat, anzuknüpfen und entsprechend nachzufragen. Stellt man die richtigen Fragen und meint man es ehrlich, hat man schon gewonnen, weil man dem Gegenüber das schenkt, was jeder Mensch, auch wenn er im Beruf schon ganz oben angelangt ist, am dringendsten braucht: Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Was ist wichtiger: Qualifikation oder das Netzwerk?

Werde ich gefragt, was für meine Karriere wichtiger war, meine formalen Qualifikationen oder mein Netzwerk, dann sage ich: Natürlich beides. Doch dann erinnere ich mich an einige meiner Bewerbungen, bei denen ich allein aufgrund meiner fachlichen Kompetenzen zwar in die engste Auswahl gelangte, dort aber steckenblieb und den Job nicht bekommen habe. Das waren Fälle, in denen niemand ein gutes Wort für mich einlegte, und diejenigen, die die Auswahl trafen, mich und mein vorheriges berufliches Milieu nicht kannten, keinen persönlichen Bezug zu mir herstellen konnten, und mir daher weniger Beachtung schenkten als einer Konkurrentin oder einem Konkurrenten, die aus ihren Kreisen kamen.

Und ich halte mir vor Augen, dass (mit Ausnahme meiner ersten Arbeitsstellen) bei jeder Position, für die ich ausgewählt wurde, sich jemand, bei dem während des Auswahlprozesses nachgefragt wurde, für mich und meine Qualifikationen verbürgt hat. Zuerst geschah dies in Form von schönen Dienstzeugnissen und Empfehlungen, die frühere Vorgesetzte gaben. Später bekam ich manchmal den entscheidenden Tipp in Bezug auf einen interessanten Job aus meinem Netzwerk, oder diejenigen, die einen Job zu besetzen hatten, wurden durch ein einflussreiches Mitglied meines Netzwerkes auf mich als mögliche Kandidatin aufmerksam gemacht. Meine Qualifikationen waren die Voraussetzung, dass ich überhaupt in Erwägung gezogen wurde, aber die persönlichen Kontakte waren vielleicht das Pünktchen auf dem I.

Es lohnt sich also definitiv, nicht nur laufend in Bildung und Fachqualifikationen zu investieren, sondern auch ein Augenmerk auf den Aufbau eines beruflichen Netzwerkes zu legen.

„Beziehungen“, Seilschaften und Netzwerke

Beziehungen, die man landläufig auch als „Vitamin B“ bezeichnet, sind im Übrigen nicht dasselbe wie Netzwerke. Beziehungen hat man, meist aufgrund der Herkunft, oder man hat sie nicht, weil man nicht die “richtigen” Leute kennt.

Ein Netzwerk hingegen kann man sich durch eigene Kraft aufbauen.

Einen anderen Charakter als Netzwerke haben auch Seilschaften, obwohl diese oft auch innerhalb von Netzwerken existieren. Eine Seilschaft beruht auf der Zugehörigkeit zu einer „ideologischen“ Gruppe, die dafür sorgt, dass bestimmte Positionen mit ihren Mitgliedern besetzt werden. Die Mitglieder der Seilschaft unterstützen einander dabei kompromisslos und ohne Emotionen. Das heißt, es ist ihnen gleichgültig, ob sie die Person, der sie den Steigbügel halten, auch persönlich mögen bzw. für fähig halten. Diese Verhaltensweisen sind das Erbe Jahrhunderte alter, vor allem männlicher Traditionen.

Wie wohl die meisten Frauen gehörte ich nie einer „Loge“ oder einer anderen Gruppierung an, der es selbstverständlich gewesen wäre, für mich eine Seilschaft zu bilden. Wenn ich von Netzwerken profitiert habe, dann stets aufgrund persönlicher Bekanntschaft und Wertschätzung. Die Netzwerke, deren Teil ich geworden bin, sind jedoch umfangreich, vielfältig. Sie haben mir nicht nur berufliche Vorteile gebracht, ich habe auch Gelegenheit erhalten, viele interessante Menschen kennenzulernen.

Strategisches „Netzwerken“

Dabei bin ich beim „Netzwerken“ nie gezielt oder auch nur systematisch vorgegangen, sondern habe meist „aus dem Bauch heraus“ gehandelt.

Natürlich habe auch ich gezielt Branchen- und Fachveranstaltungen besucht um Präsenz zu zeigen und mich ins Spiel zu bringen. Aber meistens habe ich mir den „Luxus“ geleistet, nur mit jenen Menschen aus der Branche engeren Kontakt zu pflegen, die mir persönlich sympathisch waren.

Grundsätzlich kann man jedoch – und sollte man zweifellos auch – das „Netzwerken“ etwas strategischer anlegen als ich es gemacht habe.

In jedem Fall aber gilt aber nie zu vergessen, dass Handschlagqualität, persönliche Aufmerksamkeit, Freundlichkeit und Respekt, den Menschen grundsätzlich verdienen, die eigentliche „Tauschwährung“ jeder Netzwerkbildung sind.