Gibt es den einen Zauberschlüssel zum Erfolg oder ist es eher ein ganzer Schlüsselbund? Wovon hängt es ab, ob jemand im Beruf erfolgreich ist? Von bestimmten Merkmalen der Persönlichkeit? Von Ehrgeiz, Fleiß und Ausdauer? Gibt es so etwas wie ein „Karriere-Gen“, das zu einem erfolgsorientierten Verhalten prädestiniert? Sind es gute Vorbilder, die den Weg weisen? Ist es die Kunst, die „richtigen“ Menschen zu kennen und zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein? Und wie sehr muss man den Erfolg auch selbst wollen?

Schwung und Disziplin brauchst du nicht nur zum Tanzen, hat mir einst meine Ballettlehrerin ins Stammbuch geschrieben. Als Teenager hatte mir das Wort „Disziplin“ nicht besonders gefallen. Doch mittlerweile weiß ich längst, dass sie die Sache – in schwungvoll aufs Papier gesetzten Worten – auf den Punkt gebracht hatte. Ohne Schwung, aber auch ohne Disziplin gibt es keinen Erfolg.

Karriereförderliche Eigenschaften, karriereförderliches Verhalten

Talente und Qualifikationen, die man für den Erfolg braucht, hängen eng mit der jeweiligen Branche zusammen, in der man tätig ist. Ein Archivar, eine Ärztin, eine Wissenschaftlerin, ein Journalist oder ein Marketingleiter müssen unterschiedliche Schwerpunkte setzen um erfolgreich zu sein. Die einen nützen Neugier und analytische Fähigkeiten, die anderen brauchen Mut, Eloquenz und Verkaufstalent. Ein gewisses Maß an Selbstvermarktung brauchen heutzutage alle.

Die Voraussetzungen des Vorwärtskommens in den einzelnen Sphären sind also unterschiedlich, doch überall wird man bei Menschen, die Erfolg haben, ein Bündel von spezifischen Charaktereigenschaften finden, die bei anderen, die mit einem Routinejob zufrieden sind, eher weniger vorhanden sind.

Persönliche Eigenschaften für den Erfolg

Ich persönlich erhielt erste Hinweise auf karriereförderliche Eigenschaften durch die Dienstzeugnisse meiner frühen Berufsjahre. Von meinen Chefs wurden mir Verlässlichkeit, Organisationstalent, Einsatzfreude, Fähigkeit zum Mitdenken und soziales Gespür attestiert. Einer lobte meine „Kreativität, die mit gesunder Bodenhaftung einher geht“. Ein anderer hielt fest, dass ich, für mein noch jugendliches Alter, schon ungewöhnlich weitsichtig und strategisch zu denken imstande war. Und ein dritter, der mitbekam, wie ich trotz der Herausforderungen im Job an meinem Studium dranblieb, würdigte meinen Ehrgeiz, mein Durchhaltevermögen und meinen langen Atem.

Zusätzlich gilt für alle, die nach oben wollen – gleichgültig, ob sie für ihr Fachgebiet brennen oder nur für den Top-Job: Wer weiterkommen will, muss diszipliniert und beharrlich sein. Es braucht die Bereitschaft, Opfer zu bringen, und muss mitunter einen langen Atem haben.

Wichtige Faktoren für die Karriere sind darüber hinaus Selbstvertrauen und Mut. Steht man vor einer herausfordernden Aufgabe, sollte man nicht vor Schreck erstarren und sich schon gar nicht leise – oder noch schlimmer, laut – fragen, ob man das auch kann. Man sollte vielmehr zupacken und darauf vertrauen, dass man sein Bestes geben wird und Kompetenz und Selbstbewusstsein mit jeder bestandenen Herausforderung wachsen werden. Schleichen sich dennoch Selbstzweifel an, kann man sich vor Augen halten, dass man den Job nicht bekommen hätte, wenn die anderen ebensolche Zweifel hätten. Und wenn gar nichts hilft, kann man sich immer noch an das Mantra halten, das mir mal ein wohlwollender Mentor scherzhaft, aber dennoch erst gemeint, mit auf den Weg gegeben hat:

„Ich bin die Frau Wichtig, und mache alles richtig.“

Die eigenen Leistungen benennen

Zum beruflichen Selbstvertrauen gehört es auch, sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Will man Karriere machen, darf man nicht bescheiden im Hintergrund warten, bis man „entdeckt“ wird. Man muss die eigenen Leistungen sichtbar machen und herausstreichen, auch wenn dies im Gegensatz zu den Geboten der Zurückhaltung und Bescheidenheit steht, die uns braven Mädchen mitunter immer noch eingebläut werden, zusammen mit dem Merksatz „Eigenlob stinkt“.

Um pures Eigenlob geht es hier aber gar nicht. Vorgesetzte haben selten genügend Zeit, um mit der Lupe durch das Unternehmen zu gehen um verborgene Talente zu entdecken. Man macht es also auch ihnen leichter, wenn man die eigenen Leistungen und deren Beitrag zum Firmenerfolg klar benennt. Ähnlich ist es bei internen Besetzungen, wo es Vorgesetzten auch hilft, klar signalisiert zu bekommen, dass man Interesse hat.

Mut zu Entscheidungen

Mut und Selbstvertrauen sind nicht nur gefragt, wenn es um den Karrierestart geht. Ist man in einer Führungsposition, muss man Tag für Tag Entscheidungen treffen. Dies geschieht immer unter einem gewissen Grad von Unsicherheit, da man nur sehr selten sämtliche Parameter kennt, die auf das Ergebnis Einfluss nehmen könnten. Zögerer und Zauderer, die aus Angst, sie könnten etwas falsch machen, gar nicht entscheiden, sind in Top-Jobs definitiv an der falschen Stelle.

Bereitschaft, Leadership zu übernehmen

Mut braucht man auch, um in heiklen Situationen Verantwortung und Leadership zu übernehmen. Wer das – auch in einer untergeordneten Position – kann und im Anlassfall auch tut, ist prädestiniert für eine weitere Karriere. (siehe auch Eintrag vom 4. Juni 2024)

Geduld und Gelassenheit

Schließlich sind Geduld und Gelassenheit Eigenschaften, die nicht nur am Karriereweg, sondern auch im Alltagsgeschäft wertvolle Begleiter erfolgreicher Menschen sind. Manchen von uns mögen sie schon als Charakterzüge in die Wiege gelegt worden sein. Wenn nicht, kommen sie für gewöhnlich mit der Zeit von selber. Über die hundertfünfzigste „Katastrophe“ regt man sich einfach nicht mehr in derselben Weise auf wie über die ersten zehn, insbesondere, wenn man schon viele ähnliche Situationen gemeistert hat und weiß, dass man auch der aktuellen Herausforderung erfolgreich begegnen wird.

Auch den Faktor Zeit weiß man – eben mit der Zeit – besser einzuschätzen und einzusetzen. Ist man als Anfänger:in noch maßlos enttäuscht, wenn der geniale Vorschlag, den man unterbreitet, nicht sofort auf Begeisterung stößt, hat man später die Geduld zu warten, bis die Zeit reif ist, und der/die Chef:in nach Monaten oder gar Jahren von selber kommt und sagt: „Da hatten Sie doch mal eine Idee…?“

Mit Teams arbeiten

Ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Karriere ist die Fähigkeit, mit Teams zu arbeiten bzw. Teams zu leiten. „Umgeben Sie sich mit exzellenten Menschen, die Sie auch mögen“, habe ich einmal einen erfolgreichen Manager sagen hören. Ein Team, das gut aufgestellt ist, ist immer mehr als die Summe der einzelnen Talente, aus denen es sich zusammensetzt. Ist man Mitglied eines Teams, gilt es vor allem, die Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz zu halten. Leitet man ein Team, soll man seine Mitglieder fördern und fordern und ihnen viel zutrauen. Dann profitieren am Ende alle.

In heiklen Situationen cool bleiben

Nicht immer läuft alles glatt mit der Karriere, doch gerade in heiklen Situationen entscheidet vielfach das Verhalten, ob es mit gut weitergeht oder nicht. Wird man beispielsweise bei einer Beförderung übergangen, ist es ratsam, die Niederlage und die damit einhergehende Kränkung rasch wegzustecken, professionell und loyal weiterzuarbeiten und in Ruhe auf die nächste Chance zu warten. Es liegt auf der Hand, dass eine „coole“ Haltung dem Fortkommen förderlicher ist als beleidigte Reaktionen aller Art, die womöglich im Unternehmen die Runde machen oder gar nach außen getragen werden.

Selbst wenn es zum Verlust der Position oder gar den Jobs kommt, ist man gut beraten, tunlichst die Contenance zu bewahren. Jobverlust ist immer ein ernster und schmerzhafter Einschnitt in der Berufskarriere, und heutzutage kann dies wirklich jeder und jedem, auch nach Jahrzehnten der Firmenzugehörigkeit passieren, dass er/sie „wegrationalisiert“ oder durch jemanden ersetzt wird, der für die Firma „bequemer“ oder billiger ist. Zu Gefühlen der Enttäuschung, der Wut und der Verzweiflung kommen oft berechtigte Existenzängste. Man befindet sich in einer Extremsituation.

Und dennoch muss man sich, wo widrig die Umstände im Moment sein mögen, auf die Suche machen. Je nach Branche, Position und Grad der Vernetzung wird man mögliche Betätigungsfelder sondieren, Bewerbungsunterlagen vorbereiten und versuchen, an den beruflichen Netzwerke, die man sich geschaffen hat, anzuknüpfen. Man sollte sich nicht scheuen, Netzwerkpartner:innen um Hilfe und Unterstützung bei der Jobsuche zu bitten – und nicht nur, weil es gut sein kann, dass das Verhältnis eines Tages umgekehrt sein wird und man selbst wieder am längeren Ast sitzt. Man benötigt in einer solchen Phase des Berufslebens viel Geduld um Wartezeiten zu überbrücken, und viel Kraft, um sich auch von Absagen nicht entmutigen zu lassen.

Kein schlechtes Wort über das frühere berufliche Umfeld

Gerade für eine solche Phase gilt es, Groll und Gefühle der Enttäuschung wegzupacken (am besten mit Hilfe eines Coaches) und alle Energie und alle Kraft auf die Zukunft ausrichten. Auch wenn die Trennung von der früheren Firma unfair abgelaufen ist, sollte man seinen Ärger für sich behalten und in der Öffentlichkeit kein schlechtes Wort über die ehemalige Firma oder über ehemalige Vorgesetzte verlieren. Denn abgesehen davon, dass man oftmals in derselben Branche und im selben Netzwerk bleibt, mag niemand Leute einstellen, die giftig und verbittert über das frühere Umfeld herziehen.

Freundlich und fair bleiben

Aus eigener Erfahrung kann ich mit Sicherheit sagen, dass es sich „auszahlt“, im Berufsleben stets fair und freundlich zu den Mitmenschen zu sein, denn, gerade wenn es einmal nicht so gut läuft, erfahren Menschen, die ihre Ellbogen sparsam eingesetzt und ihre Umgebung anständig und respektvoll behandelt haben, eher Unterstützung als solche, die sich in Zeiten des Erfolgs hochtrabend und arrogant gegeben haben. Freundlichkeit hilft ja auch beim Aufbau beruflicher Netzwerke.

Anpassen an ein neues Umfeld

Ist man in früheren Zeiten oft ein Berufsleben lang in einem Unternehmen oder zumindest einer Branche geblieben, wechselt man heute unter Umständen mehrmals den Job. Dies bedeutet immer, eine vertraute Welt zu verlassen und in ein neues Milieu einzutauchen. Oft kommt dies einem wahren Kulturschock gleich, und da werden es naturgemäß jene am leichtesten haben, die neugierig, anpassungsfähig, und bereit sind, sich auf Neues einzulassen.

Vorbilder, Mentor:innen und Coaches

Von Vorteil für jede Karriere ist es unbestreitbar, mit erfolgreichen Eltern aufzuwachsen, die einem das karrierepolitische Handwerk quasi am Küchentisch beibringen. Auch die Bedeutung beruflicher Mentor:innen kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Hat man keine unmittelbaren Vorbilder, dann ist es äußerst hilfreich, sich der professionellen Unterstützung eines Coachs zu bedienen, mit dem/der man bewusst die Alltagsgeschehnisse reflektieren kann. Dadurch lernt man, die Vorgänge rund ums Unternehmen besser zu verstehen und die eigenen Handlungsspektren laufend zu erweitern. In meinem Fall hat dies wesentlich zu meinem Erfolg beigetragen.

Umwege…

Wer orientierungslos ist, sieht mehr von der Welt, habe ich mal irgendwo gelesen, und das könnte durchaus das Motto für meine eigene Berufskarriere gewesen sein.

Jetzt, da meine berufliche Karriere ihrem Ende zugeht, kann ich sagen, dass ich eine ganze Menge karrierepolitische Fehler gemacht habe. Lange war ich etwa in meinem Karrieredenken nicht sehr zielgerichtet. Ich habe, insbesondere in den Anfangsjahren, den Anspruch gehabt, alles alleine schaffen zu müssen und habe mir zu wenig Unterstützung gesucht. Ich war mir, als ich bereits Führungspositionen innehatte, meiner Macht oft nicht ausreichend bewusst, habe es mir selbst schwerer als nötig gemacht, habe Menschen, die meine Macht sehr wohl sahen, eingeschüchtert, andere in Verlegenheit gebracht. Ich habe oft von Mitarbeiter:innen, insbesondere von denen ich viel hielt, dasselbe verlangt wie von mir selber, und sie dadurch überfordert.

 Schließlich habe ich keine effektive Selbstvermarktung betrieben und bin so um einigen Lorbeer für meine Arbeit, die „unsichtbar“ geblieben ist, umgefallen. Meine Fehler haben mich viel Zeit und Energie gekostet, doch sie haben mich auch viel gelehrt. Nun kann ich meine Erfahrungen mit meinen Nachfolger:innen teilen und ihnen mit Vergnügen zusehen, wie sie es besser machen.