Mobbing ist allgegenwärtig

Wie ich im vorigen Eintrag darlegte, habe ich in meinen jungen Jahren nicht einmal den Begriff „Mobbing“ gekannt. Heute wird, wie ich höre, bereits in den Volksschulen gemobbt.

Ob das Wissen um die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen tröstet, oder ob es die Sache nur noch hoffnungsloser macht, wenn man – was jederzeit geschehen kann – selbst ein Opfer von Intrige, Mobbing und ungerechtfertigter Entlassung wird, weiß ich nicht. Für Betroffene gilt es so oder so, im Anlassfall Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Alles schriftlich festhalten

Gibt es erste Anzeichen dafür, dass Vorgesetzte oder Kolleg:innen Intrigen spinnen, sollte man hellhörig werden und sofort anfangen, sich Notizen über die Vorgänge zu machen. Mobbing besteht aus vielen kleinen Aktionen, die erst im Gesamten eine unerträgliche Situation ergeben. Will man Mobbing beispielsweise irgendwann vor dem Arbeitsgericht nachweisen, ist es hilfreich, ein „Mobbing-Tagebuch“ vorlegen zu können, in dem all die kleinen Schritte, die von der Umgebung gesetzt wurden, festgehalten sind und das Horrorszenario, in dem man sich befunden hat, untermauern.

Grundsätzlich sollte man alle Vereinbarungen schriftlich treffen, beispielsweise Zielvereinbarungen oder Protokolle von Mitarbeitergesprächen. Zusätzlich kann man selber, speziell über heikle Vorgänge, datiere Aktennotizen anlegen.

An wen kann man sich wenden

Ratsam ist, sich bereits in einer frühen Phase, in der man vielleicht noch mehr ahnt als tatsächlich weiß, einen Coach zu suchen, der nicht nur die psychische Belastung mindern hilft, sondern auch konkrete, situationsbezogene Verhaltenstipps geben kann. Auch an die Mobbingstellen von Arbeiterkammer oder Gewerkschaft kann man sich wenden, sobald man sich bedroht fühlt, oder, wenn man eine hoch gestellte Führungskraft ist, an eine einschlägig versierte Rechtsvertretung.

Verbündete in der Abteilung?

Sich im Unternehmen Verbündete zu suchen, ist hingegen oft ein zweischneidiges Schwert, weil man in heiklen Situationen nicht immer abschätzen kann, auf welcher Seite die Kolleg:innen stehen bzw. ob sie loyal bleiben, wenn sie sich selbst bedroht fühlen oder einen Vorteil für sich erwarten. Hat man Vorgesetzte, die in den Konflikt nicht involviert sind, kann man sich natürlich an diese wenden. Sie müssten, allein aufgrund ihrer Fürsorgepflicht ihren Arbeitnehmer:innen gegenüber, Maßnahmen zum Schutz des potenziellen Mobbing-Opfers ergreifen. Wenn aber nicht auszuschließen ist, dass die Aktion von der Ebene der Vorgesetzten ausgeht, und die „Kolleg:innen“ nur als Handlanger benutzt werden, dann ist es besser, sich Hilfe von außen zu holen.

Mobbing-Situationen sind schwierig einzuschätzen

Kennzeichnend für Mobbing-Situationen ist, dass sie schwierig einzuschätzen sind. Die Verunsicherung der Opfer gehört ja auch zu den intrinsischen Mustern von Mobbing, und so entsteht enorme Belastung durch die Tatsache, dass man nicht weiß, woran man ist. Hat man Unterstützer:innen? Lohnt es sich, zu kämpfen? Oder sind die Würfel bereits gefallen, und man tut im Sinne der eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit gut daran, sich so rasch wie möglich und so gesichtswahrend wie möglich zurückzuziehen?

Rückzug – aber wie?

Ist Letzteres der Fall, erhebt sich die Frage, wie der Rückzug erfolgen soll. Denjenigen, die einen los werden wollen, wäre es zweifellos am liebsten, wenn man die Nerven wegschmeißt und einfach – am besten unter Verzicht auf alle Abfertigungsansprüche – kündigt. Das ist aber für die Betroffenen immer die schlechteste Lösung, auch wenn sie im Augenblick psychisch entlastet, weil man alles Belastende mit einem Mal hinter sich lassen und die Bürotür für immer von außen zuwerfen kann. Kämpft man aber nicht um die Wahrung der eigenen Ansprüche, dann bleibt die Kränkung länger bestehen und ist überdies eine doppelte: man fühlt sich nicht nur ungerecht behandelt, sondern darüber hinaus auch ums Ohr gehauen.

Selbst aktiv werden

Besser ist es, mit dem Unternehmen, das einen los werden will, aktiv die Bedingungen des Ausscheidens auszuhandeln. Da man in einer Situation, der schon einiges an offenen oder hinterrücks-schleichenden Konflikten vorangegangen ist, meist nervlich etwas angeschlagen ist, sollte man dies jedenfalls mit Unterstützung einer Interessenvertretung oder einer rechtskundigen Person tun. Dabei lohnt es zu wissen, dass Unternehmen meist gerne bereit sind, hohe Summen zu zahlen, wenn sie dafür die Garantie erhalten, dass alles diskret über die Bühne geht, und sie weder Unannehmlichkeiten noch eine „schlechte Presse“ haben werden.  

Möglichst wenig Energie und Substanz verlieren

In jedem Augenblick einer solchen Krise sollte man sich um der eigenen emotionalen Gesundheit willen bewusst sein, dass es letztlich „nur“ um einen Job geht, nicht um den eigenen Wert, nicht ums Leben. Obwohl man einen Job braucht, sowohl für die Sicherung der materiellen Existenz wie auch für das Ego, sollte es nie so weit kommen, dass einen die Umstände um einen bestimmten Job kaputt machen. Nur weil ein bestimmtes Setting aus Personen und sonstigen Rahmenbedingungen nicht passt, bedeutet es nicht, dass man nicht woanders erfolgreich und zufrieden sein kann. Wichtig ist es, sich in Krisensituationen rechtzeitig aus dem Spiel zu nehmen, damit nicht zu viel an persönlicher Energie verloren, damit das Selbstwertgefühl nicht zu sehr angekratzt wird, und damit sich nicht am Ende noch wegen des Stresses eine physische Erkrankung einstellt.

Ist man mit einem Jobverlust unter üblen Begleitumständen konfrontiert, dann sollte man sich jedenfalls vor Augen halten, dass es selten um einen als Person geht. Es ist eher ein gesellschaftlich-strukturelles Problem, dass sich die Anwendung toxischer Verhaltensweisen verbreitet. Natürlich ist es sehr schwierig, solche Verletzungen nicht persönlich zu nehmen, doch vielleicht hilft es doch ein wenig, zu wissen, dass man sich in „guter Gesellschaft“ befindet. Tag für Tag werden Menschen aus höchsten Positionen unsanft entfernt. Die Karrierewelt hält heutzutage alle möglichen Überraschungen für einen bereit, und im Grunde muss man ständig auf alles gefasst sein, egal, auf welcher Hierarchieebene man sich befindet.